Die alten Ägypter waren schon schräge Vögel. Das zeigen die alten Hieroglyphen. Die „X-Men“-Macher haben sich davon inspirieren lassen und erzählen uns, dass der allererste ihrer Mutanten aus jener Vorzeit stammt. Zu Beginn von „X-Men: Apocalypse“ fühlt sich der Zuschauer kurz noch mal in den Film „Gods Of Egypt“ versetzt, der gerade floppte. Aber dann wird der mächtige Ur-Mutant gleich von seiner eigenen ­Pyramide verschüttet und es braucht 5000 Jahre, bis er wieder das Licht der Welt erblickt.

„X-Men“, wir erinnern uns, war ab 2000 eine Superheldenreihe, die den derzeitigen Comicfilmboom überhaupt erst ausgelöst hat. Wobei nach drei Filmen mit der alten Garde (Patrick Stewart als Professor X, Ian McKellen als Magneto) eigentlich Schluss war, bis das Ganze als Prequel mit jüngeren Schauspielern (James Mcavoy und Michael Fassbender) neu erzählt wurde.

Auch die „Next Generation“ ging in Serie, wobei in Teil zwei, höchst reizvoll, aber auch höchst verwirrend, die neue auf die alte Garde, die Vergangenheit auf die Zukunft traf. McAvoy sah sich also seinem alten Ich, Stewart, gegenüber, McKellen seinem jüngeren Ich, Fassbender. Wie kann man sowas noch toppen? X-Regisseur Bryan Singer greift tief in die Sagenkiste. Buddelt schliemannartig einen altägyptischen Fluch aus, tauft seinen Bösen gleich Apocalypse und lässt ihn bibelartig vier apokalyptische Reiter um sich scharen, um der Neuzeit den Garaus zu machen.

Während „X-Men: Erste Entscheidung“ (2011) anno 1962 spielte, zur Zeit der Kubakrise, und „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (2014) 1973, in der Watergate-Krise, sind wir nun 1983, im Jahr des Nato-Doppelbeschlusses, angekommen – wobei die Helden in diesen Zeitsprüngen erstaunlich wenig altern.

Die 80er aber, das ist das Jahrzehnt, in der modetechnisch alle irgendwie zu Mutanten und Freaks geworden sind. Wobei sich die Filmausstatter eher zurückgehalten und die schrillen Outfits heruntergefahren haben. Um so länger nimmt sich der Film Zeit, die letzten Protagonisten, die in den alten, aber noch nicht in den neuen Filmen mitgespielt haben, einzuführen. So rettet Mystique (Jennifer Lawrence) etwa den jungen Nightcrawler aus einer Wrestling-Szene in, jawohl, Ostberlin, wo Vopos und Ostpunker unisono (in der Originalversion in ziemlich schlechtem Deutsch) dessen Gegner anfeuern. Wohingegen Apocalypse in Kairo nicht nur Magneto, sondern auch eine junge Diebin rekrutiert, die das Wetter beeinflussen kann und die man aus den alten Filmen als Storm kennt. Die freilich ihren Weg hier noch finden muss.

Das gilt auch für den ganzen Film. Irgendwie sind ja die Avengers, noch so eine Superheldenliga aus dem Marvel-Universum, längst an den X-Men vorbeigezogen. Und während die Truppe um Iron Man und Captain America zu einem All-Star-Ensemble anwächst, sind es bei den X-Men, neben den Zugpferden McAvoy, Fassbender und Lawrence, vor allem Nachwuchsstars, die in die Haut der alten Garde schlüpfen: Sophie Turner aus „Game Of Thrones“ wird als junge Jean Grey eingeführt, die früher Famke Janssen spielte. Alexandra Ship übernimmt den stürmischen Part von Halle Berry, und Kodi Smit-McPhee ist der junge Nightcrawler. Lauter Teenies, die ihre Mutantenidentität erst noch richtig beherrschen müssen.

Das ist der eigentliche Reiz dieses neuen Teils: die liebevolle Einführung uns längst bekannter Charaktere. Der Film nimmt sich dafür ziemlich viel Zeit, bis es überhaupt mal zu einem Aufeinanderprallen zwischen den Mutanten um Professor X und dem Titelschurken kommt. Das Ganze ist klassisches Popcornkino mit dem üblichen Effektbombast, aber auch erfrischend selbstironischen Momenten. Und ist doch auch mehr: Mitten in der aktuellen Flüchtlingskrise und dem politischen Schüren von Fremdenhass sind die Mutanten, die von jeher die Angst vor dem Fremden zu spüren bekamen und für ein friedliches Miteinander werben, deutlich aktueller und politischer als die Avengers oder die Super- und Batmans, die derzeit eher mit sich selbst beschäftigt sind.

Bleibt abzuwarten, ob es auch bei den neuen X-Men bei einer Trilogie bleibt – oder ob es noch einen vierten Teil geben wird, um das fehlende Scharnier zum allersten X-Men-Film aus dem Jahr 2000 zu schließen.

„X-Men: Apocalypse“ USA 2016, 145 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Bryan Singer, Darsteller: James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Oscar Isaac, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Savoy, Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek