Eine gute Zusammenfassung ihrer Macken erfährt Karo im Gespräch mit ihrer Vorgesetzten. Sie müsse „weniger anstrengend und weniger emotional werden“. 28 Jahre alt sei sie jetzt, alt genug, um erwachsen zu werden. Nicht, wenn man in Berlin lebt, hätte Karo antworten können. Stattdessen ruft sie in ihrer Antwort ihre Kernkompetenzen ab: anstrengend sein und emotional. Anschließend ist sie arbeitslos.

„Mängelexemplar“ ist die Verfilmung des Erstlings von Sarah Kuttner. 2009 ist er erschienen, 2015 kam ihr dritter Roman heraus. Ihre große Zeit im Fernsehen liegt etwas zurück, Anfang der Nullerjahre moderierte sie bei Viva. Seitdem hat Kuttner sich den Ruf bewahrt, Stimme einer Generation zu sein.

Nun also die „Generation Neurose“: Karo (Claudia Eisinger) kommt mit sich selbst nicht klar, schwitzt zuweilen heftig, schaut irre. Tourette-Syndrom wäre die erste Ferndiagnose, als sie im Baumarkt eine übergriffige Jungmutter anpampt. Was genau ihr Problem ist, bespricht sie mit ihrer Psychiaterin (Maren Kroymann). Da erfahren wir, dass das Aufwachsen bei Mutter (Katja Riemann) und Vater (Detlev Buck) problematisch war. „Mein Jobverlust ist direkte Folge deines emotionalen Fehlverhaltens“, sagt Karo zu ihrer Mutter in netter ironischer Brechung.

Regisseurin Laura Lackmann hat in ihrem Debüt den Sound von Kuttners Buch erhalten – die Mischung aus echter Niedergeschlagenheit, hysterischem Pathos, Ratgeber für den Hausgebrauch und Alles-halb-so-wild-Gestus.

Der Rest der Handlung lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Karo und ihr Freund – Marke Bindungsunfähig (Musiker! Wie ihr Vater!) – trennen sich. Mit ihrer Mutter läuft es lange nicht toll und auch nicht mit der besten Freundin (Laura Tonke), die ihren Egozentrismus leid ist. Aber ihre Oma (Barbara Schöne) steht ihr bei und verhindert mit groß­zügigen Beigaben, dass bei Karo der psychischen Krise die materielle folgt. Klein-Karo (Emelie Harbrecht) sehen wir in Rückblenden und als unsichtbare Begleiterin von Groß-Karo, damit auch dem Letzten verständlich wird, wie bedeutend ihre Kindheit für ihre Gegenwart ist.

Womit wir bei den Schwächen sind: Einen Spannungsbogen hat der Film nicht, im Grunde nicht einmal eine Fragestellung, mit Karos Leiden wird auch nicht das zarteste Gemüt mitzittern. Claudia Eisinger macht dabei ihre Sache gut, wenngleich sie immer wieder zu stark theaterschauspielert. Es liegt mehr an den anderen: So sehr man sich freut, wieder einmal Barbara Schöne auf der Leinwand zu sehen, bleibt bei ihr genauso wie bei ihren Kollegen der Eindruck haften, dass Barbara Schöne Barbara Schöne spielt, Katja Riemann Katja Riemann und Detlev Buck Detlev Buck.

Mängelexemplar D 2016, 112 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Laura Lackmann, Darsteller: Claudia Eisinger, Katja Riemann, Barbara Schöne, Laura Tonke, täglich im Abaton, Passage, Studio, UCI Mundsburg, Zeise