Die Geschichte des Schlagers, sie muss wahrlich nicht neu geschrieben werden. Auch nicht im Schmidt-Imperium, in dem erfolgreiche Revuen wie „Fifty Fifty“, „Sixty Sixty“ und „Karamba“ die Besucher lange Zeit in die Hochzeit des (west-)deutschen Lalala und Trallala der 50er- bis 70er-Jahre mitnahmen. Doch die Geschichte eines Ost-Schlagersternchens vor dem einst real-existierenden politischen Hintergrund? Ist so noch nicht erzählt worden.

Und so steht Kathi Damerow bei der Probe in einem Mädchen-Outfit auf der Bühne des Schmidtchens. Im Ableger des Schmidt Theaters begibt sich die Musical-Darstellerin als Gabi Mut aufs „Sprungbrett“ – so hieß eine Talentshow des zweiten DDR-Fernsehens. Der hier erst 16-jährigen Gabi misslingt so ziemlich alles, was ein Schlagersternchen beim TV-Debüt falsch machen kann. Sie bricht in Tränen aus. Plötzlich spricht aus dem Off mit verzerrter Stimme ein gewisser Werner vom Ministerium für Staatssicherheit zu ihr. Und die gesamtdeutsche Story „Gabi Mut – vom Leben geschlagert“ nimmt ihren Lauf.

Erdacht und geschrieben hat das Stück – am 12. Mai ist Uraufführung – Kathi Damerow selbst. Musical-Besucher kennen sie vor allem aus „Heiße Ecke“: Seit der Premiere 2003 im Tivoli hat sie im Kiez-Dauerbrenner bisher genau 2896-mal die Kioskverkäuferin Margot verkörpert. „Gabi Mut“ aber, die fünfte Eigenproduktion des im Vorjahr eröffneten Schmidtchens, ist hier das erste reine One-Woman-Musical.

„Natürlich ist das eine große Her­ausforderung. Ich will ja, dass das Publikum mir und meiner Figur folgt“, sagt die zierliche Künstlerin, der man ihre 44 Jahre nicht ansieht. Wie sehr ihre Gabi autobiografische Züge trägt? „Teilweise“, sagt Damerow, die als 25-Jährige ihren Job als Anlageberaterin einer Bank in der Kleinstadt Hagenow (Mecklenburg ) aufgab. Schon vor ihrer Ausbildung an der Stella Academy in Hamburg war sie als Sängerin aufgetreten.

Von 1983 bis 2016 erstreckt sich Gabis Geschichte, Teil eins spielt komplett vor der Wende. Dass Kathi als Mädchen etwa regelmäßige Altstoffe – im Westen hieß das bereits damals Recycling – gesammelt hatte, um irgendwann am „Warentag“ (in ihrer Heimat stets der Donnerstag) ein Paar Knöchelturnschuhe zu erstehen, spielt ebenso mit hinein wie die bei Damerow spürbare Liebe zum Gesang. Lieder wie „Irgendwo wird immer ein Schlager gesungen“ bis zu „Die kleine Kosmonautin“ sollen Gabis Aufstieg symbolisieren. Komponiert hat die Songs Lukas Nimscheck, bis 2014 Assistent der Geschäftsleitung im Schmidts Tivoli und nun im Junior-Hip-Hop-Trio Deine Freunde selbst ein Bühnenstar.

Obwohl zwischen dem gebürtigen (Ost-)Berliner Nimscheck und der Mecklenburgerin Damerow 17 Jahre liegen, haben sie beim gemeinsamen Texten und bei der innerfamiliären Stasi-Recherche ähnliche Erfahrungen gemacht: Eltern und Großeltern tun sich bis heute schwer, darüber zu sprechen.

Gabi Mut, sagt Kathi Damerow, hole im zweiten Teil des Stücks ihre Stasi-Vergangenheit ein. Dem Aufstieg folgt – wie bei so vielen Ex-DDR-Stars – nach der Wende der Abstieg. In der Regie ihres Darsteller-Kollegen Maarten Flügge soll das außer zu komischen auch zu anrührenden Momenten führen. Kathi Damerow: „Es gibt aber immer wieder Hoffnungsschimmer.“ Auch dafür stehen Schlager – gestern wie heute.

„Gabi Mut – vom Leben geschlagert“ Uraufführung Do 12.5., 20 Uhr, danach13. bis 28.5, Mi 19 Uhr, Do bis Sa jeweils 20 Uhr, Schmidtchen, Spielbudenplatz 21/22, Karten zu 21,80 bis 38,30 Euro unter T. 31 77 88 99