Die Mailänder Scala ist eine Löwengrube, ein Stahlbad für Opernsänger, Dirigenten und Regisseure. Zumindest früher war sie ein Hort bezahlter Claqueure, die Buh-Orkane entfachen konnten, die aber auch Blumen regnen ließen und für manch denkwürdigen Abend sorgten. Das erfuhr Giacomo Puccini bereits 1904, als seine Oper „Madame Butterfly“ Premiere hatte. Von „Grunzen, Dröhnen, Brüllen, Lachen, Kreischen, Schreien“ schrieb der Verleger Giulio Ricordi nach der Aufführung. Es sei ein Höllenlärm gewesen, „in dem man so gut wie nichts hören konnte“. Ein Desaster für den Komponisten, das den weltweiten Siegeszug der Oper allerdings nicht aufzuhalten vermochte.

Auch andere litten unter dem heißblütigen Scala-Publikum. Mirella Freni wurde 1964 ausgepfiffen, weil sie sich anschickte, den Thron der vergötterten Maria Callas zu besteigen, Roberto Alagna verließ 2006 mit gereckter Faust die Bühne, als ihm nach der „Celeste Aida“-Arie die Buhs nur so um die Ohren flogen, und Renée Flemming beschreibt die Buhs nach der 1998er Scala-Premiere von „Lucrezia Borgia“ in ihrer Autobiografie als eine der schlimmsten Erfahrungen ihrer Karriere. Ob Jubel oder Protest: In der Scala geht es häufig hoch her, schlagen die Gefühle Purzelbaum, wird Operngeschichte geschrieben. Nur die Met in New York ist ähnlich legendär.

Mal dabei zu sein, ist ein Traum vieler Hamburger Opernfans, aber ein kostspieliges Vergnügen – Flug, Hotel und Ticket zusammengerechnet. Wie schön, dass es auch die „kleine Lösung“ gibt: ein Besuch in den UCI-Kinos, die an diesem Dienstag Puccinis „La Faniciulla del West“ live aus Mailand auf die große Leinwand zu übertragen. Die im Wilden Westen angesiedelte Geschichte spielt in einem kalifornischen Goldgräberlager. Hier wird die Saloon-Wirtin Minnie vom Sheriff umschwärmt, verliebt sich aber in einen mysteriösen Fremden, der ein gesuchter Bandit sein könnte und es womöglich auf ihr Gold abgesehen hat.

„La Fanciulla...“ ist eine Oper, die stets ein wenig im Schatten der Puccini-Kassenschlager „La Bohème“, „Tosca“, „Madama Butterfly“ und „Turandot“ stand, aber natürlich trotzdem schönste Herzschmerz-Momente bietet. Dass hier gebuht wird, ist einigermaßen unwahrscheinlich. Jedenfalls im Kino.

„La Fanciulla del West“ Di 10.5., 20 Uhr, UCI Othmarschen, Mundsburg, Wandsbek, Karten zu 25 Euro (plus Zuschläge, inkl. ein Glas Sekt) an den Kinokassen