Es gibt nicht viele Musikerinnen, die so polarisieren wie Joanna Newsom. Entweder man verehrt die Amerikanerin kultisch, oder man schmäht sie als Märchentante mit nicht zu ertragender Stimme. „Es ist mir lange nicht bewusst gewesen, dass ich Leute wütend mache. Ich will doch eigentlich nur Songs schreiben, die ich für schön halte“, sagt die 34 Jahre alte Künstlerin.

Das scheint allerdings nicht so einfach zu sein, wenn man auch noch die Harfe als Instrument gewählt hat, wie die Musikerin aus der früheren Goldgräberstadt Nevada City. Mit acht hat sie angefangen, das mannshohe Instrument zu spielen. Wenn sie im Alter von 22 Jahren nicht Bonnie „Prince“ Billy begegnet wäre, der sie beim Label Drag City empfohlen hatte, wäre es vielleicht nie etwas mit einer Karriere als Pop-Künstlerin geworden: „Dann wäre ich sehr wahrscheinlich Englischlehrerin geworden“, sagt sie.

Doch Newsom hat mit ihrem Barock-Pop eine Nische gefunden, die sie zu einem recht erfolgreichen, schillernden Paradiesvogel innerhalb der an schrägen Vögeln nicht armen Musik­szene macht. Jedes ihrer vier Alben schaffte es in die Charts, in den jeweiligen Jahresbestenlisten landete sie regelmäßig auf Top-Plätzen, sie modelte für Armani und hat vor zwei Jahren in Paul Thomas Andersons Film „Inherent Vice“ zum ersten Mal vor der Kamera gestanden. Mit dem Regisseur ist sie inzwischen befreundet, er drehte das Video zu „Sapokanikan“, der ersten Single aus ihrem aktuellen Album „Divers“.

Sapokanikan ist der Name eines indianischen Dorfes im Südwesten von Manhattan. Es lag ungefähr dort, wo sich heute Greenwich Village befindet. In dem Video tanzt und läuft Newsom singend durch das Village, bis heute ein kreativer Hotspot in New York City. Der Text allerdings ist extrem verschlüsselt. Newsom kreiert einen Bilderreichtum in ihrer Lyrik, der eine klare Deutung kaum zulässt.

Das ist bei anderen Songs von „Divers“ nicht anders. In „The Things I Say“ erwähnt sie Paris, New York taucht noch einmal in „Same Old Man“ auf, „Divers“ und „You Will Not Take This Heart Alive“ scheinen Liebeslieder zu sein, aber ganz eindeutig ist auch das nicht. Über „Waltz Of The 101st Lightbourne“ sagt sie selbst, dass nur sie allein weiß, was der Liedtext bedeutet. Aber es bedarf keiner Sinnsuche, um sich von den neuen Songs verzaubern zu lassen. Auf „Divers“ spielt Newsom nicht nur Harfe, sondern auch Klavier und Celesta, in den Arrangements nutzt sie unter anderem Streicher, Holzbläser und Hörner, bei „The Things I Say“ sorgt eine singende Säge für verstörende Geräusche. Wie von Newsom gewohnt, besitzen die Kompositionen auf „Divers“ ornamentale Arrangements, unkonventionelle Strukturen und großen klanglichen Farbreichtum.

Eineinhalb Jahre hat sie an den neuen Songs gefeilt, und erst ein paar Konzerte hat sie bisher mit dem neuen Programm gegeben. Wenn Joanna Newsom nun am 25. Februar nach Deutschland kommt, wird ihr Konzert in Hamburg das einzige hierzulande sein. Einen besseren Ort als Kampnagel kann es dafür nicht geben.

Joanna Newsom, Robin Pecknold Do 25.2., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 18-20, Karten zu 43 Euro an der Abendkasse