Die belgische Tänzerin und Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker ist gewissermaßen die Pina Bausch der Gegenwart. Mit ihrer 1983 gegründeten Kompanie Rosas und ihrer 1995 ins Leben gerufenen Tanzschule P.A.R.T.S gilt sie als weltweit wichtigste Erneuerin im Gegenwartstanz. Regelmäßig sind ihre Arbeiten auf Kampnagel zu sehen. Ihr neues Werk „Golden Hours (As You Like It“), vom 4. bis 6. Februar zu erleben, ist ein besonders eigenwilliger Kunstmix.

„Golden Hours“ ist ein Song des britischen Elektronik-Soundpioniers und ehemaligen Roxy-Music-Mitbegründers Brian Eno aus dem Jahr 1975. In der Choreografie fügt De Keersmaeker nun den Song mit Shakespeares Komödienklassiker „As You Like It“ („Wie es Euch gefällt“) zusammen. Was der Zuschauer womöglich nicht wahrnimmt. Die elf jungen Tänzer sagen den Text während der Performance innerlich auf und erforschen dabei seinen Rhythmus. Musik und Text in eine Bewegungssprache zu übersetzen, ist seit einigen Jahren die Spezialität de Keersmaekers.

Aus den Improvisationen ihrer Weltklasse-Tänzerinnen und -Tänzer formt sie eine Art Skulptur. „Ich glaube an die Ausdruckskraft des Körpers in all seiner Schlichtheit“, sagt Anne Teresa de Keersmaeker. Neben einer ausgesucht zeitgenössischen Bewegungssprache war die Reduktion seit jeher ihr wichtigstes Stilmittel. An Brian Enos Musik begeistert sie vor allem dieser handgemachte Low-Fi-Sound, der den Ambient Pop vorwegnahm. Der Song klingt leicht, humorvoll und ist doch von einer unterschwelligen Melancholie.

So wie Pina Bausch einst das Tanztheater entwickelt hat und die Elemente Gesang, Pantomime und das Gefühl ins Zentrum ihrer Choreografien stellte, unterläuft auch De Keersmaeker Erwartungshaltungen an den Gegenwartstanz von synchron sich bewegenden Körpern. Statt hautenger Kostüme sieht man bei ihr Streetwear und Sneakers. Wo andere Choreografen die Sinnlichkeit und Überwältigung des Zuschauers suchen, erforscht sie die Abstraktion.

Die Musik, vor allem die zeitgenössische, experimentelle Musik etwa von Steve Reich oder Arnold Schönberg, aber auch die Musik des Barock, wurde ihr zuletzt der größte Impulsgeber. An Shakespeares Theaterstück um Liebes-Verwechslungen und Cross-Dressing reizt sie die Aufgabe, Ideen, Gedanken und Bilder in Bewegung zu übertragen. Zu tanzen, als ob man sprechen würde. den Text zu kennen ist keine Voraussetzung, schadet aber sicherlich nicht.

Regelmäßig erntet de Keersmaeker mit ihren Arbeiten hymnischen Beifall auf allen großen internationalen Festivals zwischen Sydney und New York. Mit ihrem Repertoire tourt sie seit 30 Jahren um die Welt. Zuletzt hat sie als Ballettmeisterin dem Ballett der Pariser Oper eine neue, moderne Farbe hinzugefügt. „As You Like It“ passt übrigens wunderbar ins Shakespeare-Jahr. Am 23. April jährt sich der Todestag des Dichters zum 400. Mal.

Anne Teresa de Keersmaeker/ROSAS: „Golden Hours (As You Like It)“ Do 4.2. bis Sa 6.2., jeweils 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten zu 12 bis 32 Euro unter T. 27 09 49 49