Das vormoderne Amerika ist wie in „Django Unchained“ auch in Quentin Tarantinos neuem Film Schauplatz gewalttätiger Vorkommnisse. Mit dem Unterschied, dass das brachial-überdrehte Kammerspiel „The Hateful Eight“ keinen einzigen Sympathieträger hat. Und dennoch schafft es Tarantino, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch schrieb, fast drei Stunden glänzend zu unterhalten.

Weil die Tarantino-Mixtur nie enttäuscht: In Szene gesetzt von einem von Samuel L. Jackson und Kurt Russell angeführten Ensemble, vibriert die nicht sonderlich üppige Handlung in einem Dialog- und Splatterwirbel. Zwei Kopfgeldjäger, ein Henker, ein Südstaatengeneral und dergleichen unangenehme Gestalten mehr, alle zum Beisammensein in einer Hütte verdammt – bei Tarantino entsteht dabei mitten im Schnee-Blizzard ein ultrahoch erhitzter Gefechtsraum, in dem sich die Auseinandersetzungen am Ende nicht mehr auf die verbale Ebene beschränken.

Die Stimmung köchelt von Anfang an auf hoher Stufe; so wie der Eintopf, den Minnie aufgesetzt hat. Minnie ist die Chefin des Kurzwarenladens, von der jede Spur fehlt.

Dass es im Fortgang des Geschehens vor allem gottlos zugehen wird, verdeutlicht gleich die Anfangsszene, in der ein einsames Kruzifix dem kalten und unwirtlichen Wyoming mehr schlecht als recht trotzt. Dennoch ist die auch erzählerische Brutalität, mit der Tarantino in „The Hateful Eight“ zu Werke geht, die eines narrativen Berserkers. Kaum etwas in diesem Film ist vorhersehbar.

Jennifer Jason Leigh spielt eine Banditin von echtem Schrot und Korn

Bei der Pointe im letzten Akt dieses auch immer wieder komischen Dramas muss Tarantino die Chronologie aufbrechen. Nur so ist es möglich, den Deckel zu lüpfen, auf dass die auf Zuschauerseite bis zum Äußersten gesteigerte Spannung der Unkenntnis entweiche. Was, zum Feuer, ist hier eigentlich los? Welche Allianzen bestehen? Sind die wirklich alle die, die sie zu sein behaupten?

Es gibt eine Hasserfüllte unter all den Hasserfüllten, Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), eine Banditin von echtem Schrot und Korn, die John Ruth (Kurt Russell) zu ihrer Hinrichtung bringen will. Er lässt sie kaum einmal von der Leine und so, wie sie an ihn gekettet ist, hat sich letztlich das Böse in seiner Schicksalshaftigkeit längst an alle Beteiligten geheftet. Da ist zum Beispiel Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson), der von allen Seiten Rassismus ertragen muss und deswegen einen Bonus beim Betrachter hat. Er trägt einen angeblichen Brief Abraham Lincolns mit sich herum, eine kleine Schrift der großen Brüderlichkeit zwischen den Volksgruppen.

Der Brief schützt ihn vor den Übergriffen seiner Umgebung, aber er macht selbst keinen Humanisten aus ihm. Atemberaubend, wie er dem erzrassistischen Südstaaten-General Smithers (Bruce Dern) den Rest gibt. Gnade wird hier niemandem gewährt – wir sind schließlich im Western (Musik: Ennio Morricone!), man lasse sich vom Schnee nicht täuschen.

„The Hateful Eight“ USA 2015, 182 Minuten, ab 16 Jahre, Regie: Quentin Tarantino, Darsteller: Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (in 70 mm), Studio, UCI Mundsburg/
Othmarschen/Wandsbek, Zeise