In Zeiten des Billigfliegens und -telefonierens ist es ganz aus der Mode gekommen – das gute alte Heimweh. John Crowleys Romanverfilmung „Brooklyn“ jedoch spielt in den 50er-Jahren, und die Zeitgenossen um Eilis (Saoirse Ronan) herum erkennen sofort, was mit der braven Kaufhausangestellten los ist.

Eilis ist aus Irland nach New York gekommen, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive sah. Sie hat Hilfe bei ihrer Auswanderung erfahren, vor Ort in Brooklyn hat sie im Priester Flood (Jim Broadbent) einen väterlichen Rückhalt, in der Privatpension von Mrs. Kehoe (Julie Walters) geben ihr die anderen jungen Frauen unter kleinen Eifersüchteleien auch wertvolle Tipps. Doch da kann das neue Leben noch so erfolgreich verlaufen, die Tatsache, dass sie in Irland Schwester und Mutter hinterlassen musste, macht ihr schwer zu schaffen.

Saoirse Ronan wurde für ihre Darstellung für einen Oscar nominiert. Sie versteht es, der Traurigkeit auf wunderbar feine Weise Ausdruck zu verleihen.

Mindestens so meisterhaft stellt sie die Stimmungsaufhellung dar, als die Nostalgie langsam verfliegt. Auslöser dafür ist, dass sie dem italienisch-stämmigen Tony (Emory Cohen) begegnet. An seiner Seite lernt sie Stück für Stück die Sonnenseiten des New Yorker Alltagsleben kennen. Als Tony sie schließlich zum Abendessen mit Eltern und Geschwistern einlädt, scheint ihr Glück gemacht. Doch dann erreicht sie eine schreckliche Nachricht aus der Heimat.

Es ist dieser zweite Teil, der aus „Brooklyn“ so viel mehr macht, als nur die bislang erwähnte Geschichte von Auswanderung, Heimweh und Lebensglück. Eilis kehrt nach Irland zurück, zu Beginn sollen es nur wenige Wochen sein. Doch dann stellt sich heraus, dass sich für die mit neuem Selbstbewusstsein Zurückgekehrte in der alten Welt auf einmal Perspektiven auftun. Und statt Heimweh fühlt Eilis etwas anderes an ihrer Seele nagen: eine Zerrissenheit.

In Eilis’ gedanklichem Hin und Her zwischen Diesseits und Jenseits des Atlantiks gewinnt „Brooklyn“ eine emotionale Tiefe, die auch denjenigen mitreißt, den die bieder-zurückhaltende Regie John Crowleys bis dahin eher kaltließ.

Brooklyn IR/GB/CDN 2015, 112 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: John Crowley, Darsteller: Saoirse Ronan, Domhnall Gleeson, im Abaton, Holi, Koralle