Hape Kerkeling widerlegt sich selbst. „Das ganze Leben ist ein Quiz“, hat er einst frohgemut geträllert. Aber am Anfang dieses Films sehen wir einen grotesk aufgedunsenen Kerkeling, wie er unter Stress vor laufender Kamera zusammenbricht. Und der Arzt ihm rät, einfach mal drei Monate nichts zu tun. Da sitzt er denn, der unermüdliche Star der Nation, einsam auf seinem Sofa, Bambi, Goldene Kamera und andere Staubfänger auf dem Regal hinter sich, und weiß nichts mit sich anzufangen. Bis er aus dem Schlaf hochschreckt, als im Fernsehen gerade vom Jakobsweg die Rede ist. Also zieht er, gegen den Rat seiner Managerin, los.

Der Rest ist Geschichte. „Ich bin dann mal weg“ avancierte 2006 zum absoluten Bestseller. Und ebnete Kerkeling eine zweite, nicht ganz so stressige Karriere als Autor. Da überrascht es nicht, dass das Buch verfilmt wurde, eher, dass es so lange gedauert hat. Aber natürlich leidet der Film unter der Krux, dass jeder das Buch schon gelesen oder geschenkt oder erzählt bekommen hat. Wie kann man dem Film etwas Eigenes abgewinnen? Regisseurin Julia von Heinz hat dabei schon mal ein großes Pfund. Und das ist Devid Striesow. Der sieht Hape Kerkeling nicht nur ein wenig ähnlich, er verwandelt sich dermaßen in ihn, dass selbst sein Vorbild von seiner Performance überrascht war. Und doch hat der Schauspieler dabei immer ein ironisches Zwinkern im Auge, was dem Film ganz gut bekommt.

Schwerer aber tut sich die Regisseurin mit dem zweiten Hauptdarsteller. Und das ist der Jakobsweg. „Ich bin dann mal weg“ muss sich ja gleich zwei Vergleichen stellen: dem mit der Buchvorlage und mit anderen Pilger- oder Extremwanderer-Filmen. „Der große Trip“ mit Reese Witherspoon etwa. „Spuren“ mit Mia Wasikowska. Oder jüngst „Picknick mit Bären“ mit Robert Redford. Und da muss man leider sagen: Diese Filme haben offenbar ein ganz anderes Gespür für Landschaften. Das Drama, das sie erzählen, ist immer eines der Protagonisten auf ihrem Weg durch beeindruckende, erhabene Panoramen.

Julia von Heinz („Hannas Reise“) vertraut solchen Bildern nicht. Nur selten sind mal wirklich spektakuläre Totalen der 791 Kilometer langen Wegstrecke zu sehen. Fast immer klebt die Kamera ganz nah an Striesows Kerkeling. Und fast immer ist dabei die Off-Stimme des Erzählers zu hören, die alles und jedes kommentiert. Ganz offensichtlich wollte die Filmemacherin so viel wie möglich aus dem Buch auf die Leinwand übertragen. Sie vergaß dabei aber das Wichtigste: das Loch darzustellen, in das der Entertainer plötzlich und erstmals fiel, die ungewohnte Ruhe um ihn herum. Was visuell überwältigen müsste, wird durch die Tonspur erklärt.

Allzu schnell begegnen dem Pilgerer auch die immer gleichen Menschen. Und zu allem Überdruss werden noch ständig Szenen aus Hapes Kindheit eingeblendet, etwa wie er schon als Dreikäsehoch Entertainer werden will und schließlich beim Fernsehen landet. Das Fernziel scheint dann gar nicht Santiago de Compostela zu sein, sondern Radio Bremen. Das macht den Film eher klein, wo er doch ins Große, Weite, Unbekannte aufbrechen müsste.

Dass „Ich bin dann mal weg“ nicht ganz schlecht geworden ist, liegt an den Darstellern. Allen voran Devid Striesow, der über alle Hänger und Stolpersteine souverän hinwegmarschiert, aber auch Martina Gedeck als Weg- und Leidensgefährtin, die für die rüh­rendsten Momente sorgt (die bezeichnenderweise so nicht im Buch stehen).

Der Film wird sein Publikum finden. Aber was hätte das für ein Epos werden können, wenn nur ein anderer auf dem Regiestuhl auch mal in die Landschaft und nicht nur in die Buchvorlage geguckt hätte!

„Ich bin dann mal weg“ Deutschland 2015, 92 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Julia von Heinz, Darsteller: Devid Striesow, Martina Gedeck, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Elbe, Hansa-Studio, Koralle, Passage, UCIs Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek, Zeise