Darf man über Religion Witze machen? Unbedingt! Vor allem, wenn es so intelligent abläuft wie in der Komödie des Belgiers Jaco Van Dormael. Bei ihm ist Gott (Benoît Poelvoorde) nicht nur sehr lebendig, er wohnt in einem tristen Apartment in Brüssel und ist ein ziemlich unausstehlicher Genosse in Bademantel und Unterhemd. Von hier aus hat er die Welt erschaffen und langweilt sich jetzt. Und weil er so wenig Freude am Leben hat, ergötzt er sich daran, die Menschheit zu quälen. Permanent nervt er mit göttlichen Regeln, wonach das Marmeladenbrot immer mit der bestrichenen Seite auf den Boden fällt oder das Telefon genau dann klingelt, wenn man in der Wanne sitzt. Und wenn er nicht übellaunig zwischen Whiskey und Aschenbecher am Computer sitzt, wo er sich immer neue Gemeinheiten ausdenkt, schikaniert er seine unterwürfige Gattin (Yolande Moreau) und die zehnjährige Tochter Ea (Pili Groyne). Sohnemann JC ist deswegen schon vor einer Weile mit zwölf Jüngern abgehauen.

„Jeder andere könnte das besser“, wirft Ea ihrem Alten vor. Sie will raus und sich Apostel suchen wie ihr Bruder, um Gutes zu tun. Und gleich noch ein brandneues Testament aufsetzen. Zuvor verschickt sie aber noch schnell von Papas Computer Nachrichten an alle Menschen mit dem genauen Zeitpunkt ihres Todes. So weiß jeder, wie lang er noch zu leben hat. Der „Deathleak“ führt schnell dazu, dass die Menschen sich von Gott nichts mehr sagen lassen und sich lieber überlegen, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollen.

Ea macht sich auf die Suche nach sechs Aposteln, die alle mit ihrem Schicksal hadern, und lässt sich deren Lebensgeschichten erzählen, die dann der legasthenische Obdachlose Victor als Evangelien zum „brandneuen Testament“ zusammenschreibt. Wie die von der reichen, frustrierten Hausfrau Martine, dem sexbesessenen Marc oder dem Soziopathen François.

Wie schon in seinen Filmen „Toto der Held“ und „Mr. Nobody“ quetscht van Dormael unzählige putzige Ideen und visuelle Einfälle in knapp zwei Stunden, lässt in der alternativen Schöpfungsgeschichte Giraffen durch Brüssel staksen und Catherine Deneuve mit einem Gorilla ins Bett steigen. Das ist meist auf recht harmlose Art satirisch und bisweilen ein wenig zu viel des Guten, dabei herrlich respektlos und schräg genug, um die Balance zwischen Komik und Ernst, Kitsch und Lebensklugheit zu wahren. Blasphemisch aber ist es keineswegs, die Komödie stellt im Gegenteil mit leichter Hand essenzielle Fragen des menschlichen Daseins zwischen Bestimmung und freiem Willen. Van Dormael mag der große Träumer des Kinos sein, aber er hat eine sehr irdische Botschaft: Genießt das Leben!

„Das brandneue Testament“ B/F/LUX 2014, 116 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Jaco Van Dormael, Darsteller: Benoît Poelvoorde, Yolande Moreau, Pili Groyne, täglich im Abaton, Zeise