Glaubt man dem Rezensenten der britischen Tageszeitung „The Guardian“, dann versäumt Hamburg nicht so schrecklich viel, wenn am heutigen Montag nur die konzertante Fassung von „Orphée et Eurydice“ über die Bühne der Laeiszhalle geht. Mitte September hatte die Inszenierung der Oper von Christoph Willibald Gluck am Royal Opera House Covent Garden in London Premiere. Die sei eher halbherzig und arm an Ideen, monierte der Kritiker, auch der Tanz der Hofesh Shechter Company beeindruckte ihn nicht sonderlich. Kein Drama also, dass die Elbphilharmonie-Konzerte zur Eröffnung ihrer neuen Saison nur Orchester, Chor und Solisten der Londoner Produktion nach Hamburg holen. Vor allem das Orchester entzückte den Mann vom „Guardian“.

Kein Wunder: Es handelt sich um die English Baroque Soloists, eines der vorzüglichen Ensembles für alte Musik aus England. Gemeinsam mit dem Monteverdi Choir bilden sie das Rückgrat der Aufführung, deren Leitung in den Händen von Sir John Eliot Gardiner liegt. Gardiner ist einer der Grand old men der historischen Aufführungspraxis; den Monteverdi Choir gründete er schon vor 51 Jahren, und aus dem wenig später gebildeten Monteverdi Orchestra gingen Ende der 70er-Jahre die English Baroque Soloists hervor. Hinreichend Expertise also in einem Fach, von dem die Briten ohnehin schon überaus viel verstehen.

Gegeben wird die Pariser Fassung der Oper, die Gluck 1774, zwölf Jahre nach der Uraufführung am Wiener Burgtheater, umschrieb – für einem Tenor als Orpheus anstelle des ursprünglichen Kastraten und ergänzt um einige Ballettmusik. Der tragisch-rührende Stoff stammt aus der Antike: Orpheus, dessen Gesang Steine zu erweichen vermag, steigt in die Unterwelt, um seine gestorbene Frau Eurydike durch seinen Gesang und das Lyra-Spiel zu befreien. Das gelingt ihm, aber er darf sich auf dem Rückweg nicht nach Eurydike umsehen. Als er es doch tut, verschwindet sie wieder in der Unterwelt. Den Verlust beklagt Orpheus mit einem dreifachen Ausruf. Gluck trug seinem Pariser Orpheus-Sänger Le Gros auf, diesen Ruf nicht nur zu singen: „Schreien Sie ganz einfach so schmerzvoll, als ob man Ihnen ein Bein absäge, und wenn Sie das können, gestalten Sie diesen Schmerz innerlich, moralisch und von Herzen kommend!“

C.W. Gluck „Orphée et Eurydice“ (konzertant) Montag 5.10., 20 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 9,70 bis 82,40 unter der Telefonnummer T. 35 76 66 66