Die Frage muss man stellen. „Warum macht ihr das?“, fragt Rob Hall, einer der erfahrensten Bergsteiger seiner Generation, seine Schutzbefohlenen. Und es kommen seltsame Antworten. Der Briefträger Doug war schon im Vorjahr hier und ganz nah am Gipfel, musste dann aber aufgeben. Der Unternehmer Beck fühlt nur noch Leere in seinem Beruf und wohl auch in seiner Ehe. Und die Japanerin Yasuko hat bereits sechs der Seven Summits, der höchsten Berge der sieben Kontinente, bestiegen. Es fehlt nur noch der Everest. Also muss auch der noch abgehakt werden.

Warum macht ihr das? Die Frage werden sich die Kletterer am Ende alle noch mal stellen. Es sind ja keine professionellen Bergsteiger, die der Berg hier ruft. Eher Luxustouristen, denen ein All-inclusive-Urlaub keine Befriedigung mehr verschafft und die den ultimativen Kick in 8848 Meter Höhe suchen. Und daran krankt der Film: Er soll uns Mitleid abverlangen. Und natürlich ist das, was passiert ist, tragisch. „Everest“ stellt die Ereignisse vom 10. und 11. Mai 1996 nach, als 30 Kletterer in einen schweren Sturm gerieten und acht nicht mehr zurückkehrten. Aber so recht mitbangen kann man nicht mit verwöhnten Reichen, die mal eben 65.000 Dollar für ihre Gipfelbesteigung hinblättern und dafür, bitte schön, auch bis nach oben gebracht werden wollen, auch wenn Zeitplan und das Wetter dagegen sprechen.

Warum macht ihr das? Der Film stellt die Frage immer wieder. Aber dann begnügt er sich damit, ein paar Einzelschicksale nachzuzeichnen. Anstatt die großen Fragen zu stellen, ob diese Art von Extrem-Massentourismus angebracht ist. Ganz kurz klaubt Rob Hall ein paar Abfälle zusammen. Aber nichts ist zu sehen von dem Müllproblem, auf das enervierte Bergsteiger wie Reinhold Messner seit Langem hinweisen. Es laufen auch Sherpas durchs Bild. Jene Einheimische, die niemals von allein den Berg besteigen würden, wenn es nicht Geld für ihre armen Familien brächte. Deshalb ziehen sie mit. Schleppen den Großteil der Ausrüstung. Und meist sind sie es, die dabei umkommen. Aber auch dafür findet der Film kaum Bilder.

Der isländische Regisseur Baltasar Kormákur findet wuchtige Bilder

Der Journalist John Krakauer hat die Tour damals begleitet. Hat sie überlebt. Und das Buch „In eisige Höhen“ geschrieben, wo er auf diese Missstände hinweist. Aber „Everest“ basiert nur lose darauf. In fast postkolonialistischer Weise geht es hier vor allem um verwöhnte Reiche, die sich selbst verwirklichen. Und um die Frauen zu Hause, die um ihre Männer bangen. Und Himmel und Hölle, Botschaften und Helikopter organisieren, koste es, was es wolle.

Eine Menge Stars fährt der Film auf: Jake Gyllenhaal, Sam Worthington, Josh Brolin, Jason Clarke, auch wenn die alle, sowie es ins Massiv geht, in ihren Anoraks kaum zu unterscheiden sind. Und Keira Knightley, Robin Wright und Emily Watson, die weiter unten oder zu Hause bibbern und doch nur Staffage bleiben. Mit dem Isländer Baltasar Kormákur immerhin hat man einen Regisseur gefunden, der sich mit dem eisigen Extrem wirklich auskennt. Seine 3-D-Bilder erschöpfen sich denn auch nicht in permanenten Gratwanderungen und dem Kippen der Kamera in die Tiefe. Er findet wirklich wuchtige Bilder für die Berge. Bis halt die ersten Wolken kommen. Und alles grisselig wird. Und man kaum noch was sieht.

Nach der Katastrophe von 1996 kam kurz eine Diskussion über den Massentourismus am Everest auf. Doch das Luxus-Gipfelstürmen geht munter weiter. Und fordert stetig neue Tote. Daran wird auch dieser Film nichts ändern.

„Everest“ USA/Großbritannien 2015, 121 Minuten, ab 12 Jahre,
Regie: Baltasar Kormákur, Darsteller: Jake Gyllenhaal, Jason Clarke, Josh Brolin, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Passage, Savoy, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek