Was für ein Bild. Da reiten zwei Cowboys durch die Prärie. Nichts Neues. Aber sie reiten in Unterwäsche, in roten Ganzkörperstrampelanzügen. Und zwischen ihren Pferden, an ihren Satteln festgezurrt, baumelt ein Seil voller Kleidungsstücke, die noch trocknen müssen. Das Bild erzählt vor allem aber von dem Band zwischen zwei Männern in der Einsamkeit der Prärie.

Der Western ist ja eigentlich tot. „Slow West“ aber findet eine ganz simple und doch überzeugende Art, das Ganze noch mal neu, ganz unbelastet zu sehen. Er schickt anno 1870 einen 16-jährigen Schotten in die Neue Welt, der alles, was der Zuschauer schon x-mal gesehen hat, mit dem staunenden Blick eines Teenagers betrachtet. Gleich zu Beginn reitet dieses Greenhorn (Kodi Smith-McPhee) durch einen rauchenden, qualmenden Wald. Traumatisierte Indianerinnen kreuzen seinen Weg und ein, zwei Indianer, die nicht sein Leben wollen, sondern an ihm vorbeihetzen. Weil sie gejagt werden. „Slow West“ zeigt uns hier mehr über die blutige Eroberung der Neuen Welt als komplette Indianerfilme. Und er macht das mit nie gesehenen Bildern.

Recht bald aber steht plötzlich ein Desperado (Michael Fassbender) vor ihm, ein klassischer Cowboy. Er will ihn beschützen. Nicht umsonst, versteht sich. Und so haben wir ein klassisches Gegensatzpaar: der naive Knabe, der an das Gute glaubt, und ein alter Zyniker. Und doch verbindet sie ein enges Band – nicht nur wegen der Wäscheleine.

„Slow West“ ist im Kern ein Liebesfilm. Da reist ein Schotte durch die halbe Welt, um sein Mädchen wiederzufinden, das aus der Heimat hat fliehen müssen. Was er nicht weiß, ist, dass ein Kopfgeld auf Rose (Caren Pistorius) ausgesetzt ist und sie von Desperados gejagt wird, die er unwissentlich auf die Fährte führt.

„Slow West“ geht auch deshalb fremd, weil er in Neuseeland gedreht wurde, auf dem Boden der Hobbits. Und dann ist da eben noch der fremde Blick des Regisseurs. John MacLean, ein Schotte, liefert eines der ungewöhnlichsten Regiedebüts des Jahres. Das Kino-Greenhorn guckt mit denselben unschuldigen Augen wie sein junger Hauptdarsteller aufs Business. Aber MacLean verpasst dem ausgelutschten Genre neue Sichtweisen.

„Slow West“ Großbritannien/ Neuseeland 2015, 84 Minuten, ab 12 Jahre, Regie: J. Maclean, Darsteller: Michael Fassbender, Kodi SmitMcPhee, täglich im Abaton, Zeise