Warum die beiden alten Damen mit dem offenen Glas ins Taxi einsteigen und wohin sie wollen, das vergisst man schnell wieder. Wie das Glas zerschellt und der Taxifahrer flugs eine Plastiktüte zückt, um die zwei zappelnden Fische zu retten, das vergisst man nicht. Der Taxifahrer ist Jafar Panahi. Und die Fische in der zugeknoteten Tüte, die gerinnen zur sinnigen Metapher auf seinen schwebenden Zustand, seit der Filmemacher 2010 – wegen „Propaganda gegen den islamischen Staat“ – zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt wurde.

Der Iraner ist für das Kino das, was Ai Weiwei für die Bildende Kunst ist: eine Symbolfigur. Einer, der sich nicht unterkriegen lässt, der den Kampf aufnimmt gegen Repressionen, die man ihm auferlegt. Mit „Taxi Teheran“, der im Februar unter dem Titel „Taxi“ den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen hat, kehrt Panahi ins Zentrum seines Landes zurück. Als vermeintlicher Fahrer eines Sammeltaxis fährt er durch die Straßen: ein Akt des Widerstands.

Es ist die einfachste Form des Filmemachens: das Roadmovie. Das Leben vor der Windschutzscheibe, das Taxi­innere wird zum Spiegel und Mikrokosmos der Gesellschaft. Hier steigt etwa ein schlitzohriger Schwarzhändler zu, der raubkopierte Hollywood-DVDs verkauft. Oder ein Mann wird nach einem Unfall ins Auto gehoben und will sein Testament auf Panahis Handykamera machen – was seine Frau später unbedingt haben will: „für alle Fälle“.

Panahi kann dank einer Minikamera am Rückspiegel immer wieder zwischen sich und seinen „Fahrgästen“ schwenken. Ein Spiel der Inszenierung, das die Künstlichkeit des scheinbar Dokumentarischen unterstreicht. Der Ton ist immer auch dezidiert politisch. Immer geht es um Repression, um Zensur – und Selbstzensur. Am offensichtlichsten wird das, wenn Hana, die kleine Nichte des Regisseurs, ins Auto steigt. Die Zwölfjährige will für die Schule auch ein Filmchen drehen. Aber ihre Lehrerin hat diverse Vorgaben für einen „vorzeigbaren“ Film gemacht. Hanas verwirrter Blick wird wie die Tüte mit den Goldfischen zum Sinnbild des Films.

Am Ende dieses subversiven Meisterwerks brechen zwei Maskierte in das Taxi ein. Sie montieren die Kamera ab, stellen aber fest, dass die Speicherkarte leer ist. Der letzte Triumph der Fantasie.

„Taxi Teheran“ Iran 2015, 82 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Jafar Panahi, Darsteller: Jafar Panahi, Hana Saeidi, täglich im Abaton (Allende-Platz 3; Anreise hier) und im Zeise Kino (Friedensallee 7; Anreise hier)