Kiel. Leibniz-Forscher sind mit der Entwicklung zufrieden. Dennoch sieht die Bildungsministerin in bestimmten Bereichen Handlungsbedarf.

Um die Schulen in Schleswig-Holstein zukunftsfähig zu machen, hat das Bildungsministerium von Karin Prien eine Datenanalyse in Auftrag gegeben. Auf der Grundlage des Berichtes zur „Bildung in Schleswig-Holstein im Spiegel der nationalen Berichterstattung“ soll das Schulsystem weiter entwickelt werden. Gestern stellte die Ministerin die Ergebnisse vor.

Die Experten sind mit der Entwicklung der Schulbildung in Schleswig-Holstein zufrieden. „Wir kommen zu einem positivem Fazit“, sagte Stefan Kühne vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF). Er hat mit einem Team den Bildungsbericht erstellt. Fazit: In den vergangenen zehn Jahren habe Schleswig-Holstein in den meisten Bereichen eine positive Entwicklung genommen. Defizite gibt es bei Schulabschlüssen.

Wenige Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe im Norden

Wozu soll der Bericht dienen? „Gute Bildung gelingt nur, wenn sie stets weitergedacht und -entwickelt wird“, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). „Dafür braucht es eine verlässliche Datenbasis – und die liefert uns der vorliegende Bildungsbericht.“ Der 70-Seiten-Bericht fasst wesentliche Daten über Rahmenbedingungen, Gestaltung, Ergebnisse und Wirkungen des Schulsystems zusammen.

Der Bericht sei eine „große Sache“, da landesspezifische Bedarfe ermittelt werden und Maßnahmen ergriffen werden können. Ein Thema im Bericht ist der Strukturwandel des schleswig-holsteinischen Bildungssystems hin zu einer zweigliedrigen Schullandschaft aus Gemeinschaftsschule und Gymnasium. Die Gemeinschaftsschulen waren aus den Real- und Hauptschulen hervorgegangen. „In Schleswig-Holstein können nicht nur je nach Leistungsvermögen und Neigung ganz verschiedene Wege zu einem Schulabschluss gewählt werden. Auch haben mehr Schülerinnen und Schüler als je zuvor die Möglichkeit, an einem Schulstandort jeden Schulabschluss zu erreichen“, so die Ministerin.

Schulen im Norden: Wo Prien Handlungsbedarf sieht

Hier sieht Prien allerdings Handlungsbedarf. Denn: In den meisten Kreisen Schleswig-Holsteins gibt es zwischen zwei- und viermal mehr Gemeinschaftsschulen ohne als solche mit Oberstufe. „Besonders deutlich ist dies in den Kreisen Nordfriesland und Steinburg, wo 17- bzw. 8-mal mehr Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe existieren“, heißt es in dem Bericht. Auch in den Kreisen Plön und Schleswig-Flensburg ist die Anzahl der Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe 7-mal so hoch.

In Dithmarschen führt keine der zehn Gemeinschaftsschulen eine Oberstufe. Das zu ändern sei eine Aufgabe für die kommende Legislaturperiode. Dies müsse man sich genau angucken und die sehr niedrige Bevölkerungsdichte berücksichtigen. Deshalb könne man nicht sagen: „Da bauen wir jetzt noch einfach zwei hin, jeweils eine im Kreis“, so Prien.

Unter Kommunalpolitikern und Schulträgern werde auf CDU-Seite niemand gegen eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe argumentieren, wenn man sie am Ort brauche, sagte Prien vor dem Hintergrund früheren Streits zwischen SPD und CDU. „Ich bin nicht dafür, überall Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe neu zu ermöglichen und ich bin vor allem nicht dafür, das Gymnasium zu verdrängen.“

Leistungen im Fach Mathematik sind unterdurchschnittlich

Geprägt ist der Bildungsbericht auch von der Coronapandemie, der Digitalisierung, der kulturellen Bildung sowie der kognitiven Kompetenzen der Schüler. „Die kulturelle Bildung ist im digitalen Zeitalter wichtiger geworden“, so Prien. Eine wichtige Erkenntnis: „Im Primarbereich sind wir bei der Lesekompetenz gut vorangekommen, und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft. Aber: „Der Präsenzunterricht ist für die Kleinen unumgänglich und deshalb halten wir daran fest.“

Anders sieht es im Fach Mathematik bei den Viertklässlern aus. Laut Bericht blieben immer mehr Schüler hinter den Minimalanforderungen zurück, bei gleichzeitig sinkendem Anteil von Schülern, die den Regelstandard erreichten beziehungsweise den Optimalstandard erzielten. Gemessen an den Standards für den Mittleren Schulabschluss ist die Gruppe derjenigen Schüler, die 2018 in Schleswig-Holstein den Regelstandard (Kompetenzstufe III) erreichen oder übertreffen, mit 40 Prozent deutlich kleiner als auf Bundesebene mit 45 Prozent.

Anders als für den Primarbereich liegen die Mathematikleistungen der Schüler im Sekundarbereich I unter dem bundesweiten Schnitt. Mit dem Masterplan Mathematik hat man das Thema bereits im Blick.

Zu viele Jugendliche verlassen Schule ohne Abschluss

Deutlich werde laut Prien durch den Bericht, in welchem Tempo in die Infrastruktur investiert und ausgebaut wurde: Rund 80 Prozent der Schulen hätten schnelles Internet. „Wir haben in 85 Prozent der Schulen fest installiertes Wlan, wir haben die Endgeräte-Relation mehr als verdoppelt.“ Es gebe auch eine große Bereitschaft der Lehrkräfte, sich fortzubilden. Derzeit laufen sechs Landesprogramme zur Digitalisierung. Mit dem Projekt „Schule der Zukunft“ schafft das Land 250 Stellen, um die Schulen digital fit zu machen.

DIPF-Experte Kühne lobte die Ganztagsangebote, Fortschritte bei der Digitalisierung, die Entwicklung der Gemeinschaftsschulen und die hohe Inklusionsquote. Aber: Zu viele Jugendliche verließen die Schule ohne Abschluss und landeten nicht direkt in einer Ausbildung.