Lars Klingbeil zeigt beispielhaft, wie moderne Generalsekretäre arbeiten sollten, um am Ende an die Spitze zu kommen

Es gibt Berufe, die kann man nicht lernen. Türsteherin etwa, Influencer oder Generalsekretär. Wie die alten Römer zu ihren besten Zeiten muss ein Parteigeneral zart nach innen wirken, verschiedenste Götter und Gebräuche integrieren, nach außen hin bisweilen erbarmungslos kämpfen und Schlachten gewinnen. Der Generalsekretär, ein auffallend unquotierter Job, hat im Falle einer Wahlniederlage dieselbe zu erklären, darf bei Siegen aber bestenfalls von der Bühnenseite artig klatschen.

Immerhin: Wer überlebt, hat Härte bewiesen und steigt oft auf. Wie Lars Klingbeil. Soeben ist der Noch-Generalsekretär vom SPD-Präsidium zum Kandidaten für den Vorsitz erkoren worden, als Co-Pilot von Saskia Esken. FDP-General Volker Wissing, der neben Parteichef Christian Lindner maßgeblich verhandelt, darf ebenso auf einen Karrieresprung hoffen wie Michael Kellner, der als Bundesgeschäftsführer nach acht Jahren in der grünen Partei-Galeere gern mal wieder an die frische Luft würde.

Generäle rackern im Maschinenraum

Generalsekretär, das bedeutet Knochenjob, Zuckerpeitsche und Zen-Übung. Während die Parteiführung durch die Lande repräsentiert, rackern die Gene­räle im Maschinenraum, erdichten Programme, orchestrieren Kampagnen, verbreiten Fröhlichkeit und dienen schlechtlaunigen Parteifreunden als emotionale Fußmatte. Wer den Stresstest besteht, darf auf Beförderung hoffen.

Unterlegene wie Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU) hingegen erleben bange Wochen. Der Posten kann Karrieren befördern oder bremsen. Christian Lindner, Angela Merkel, Olaf Scholz oder Markus Söder – sie alle dienten als Generäle, aber auch Christine Haderthauer (CSU), Yasmin Fahimi (SPD) oder Linda Teuteberg (FDP). Scheitern ist keine Schande, sondern spricht oftmals nur für mangelnde Schlitzohrigkeit oder gefährlich aus­geprägten Feinsinn, so wie beim nachdenklichen Ruprecht Polenz (CDU) oder der gediegenen Katharina Barley (SPD).

CSU-General Stoiber hatte den Kampfnamen „Blondes Fallbeil“

Einst hatte der General vor allem Einpeitscher zu sein wie etwa Franz Josef Strauß, der blitzartig wutrot anlaufen und lospoltern konnte. Sein gelehrigster Schüler war Edmund Stoiber, der sich als CSU-General den Kampfnamen „Blondes Fallbeil“ verdiente. Die Tradition, Zwischentöne für Charakterschwäche zu halten, setzte Markus Söder fort. Dessen General Markus Blume wiederum wird vor allem als Fiffi seines Ministerpräsidenten wahrgenommen.

Die allzu enge Interpretation des Amtes ist nicht mehr zeitgemäß. Der moderne General ist weniger vollautomatisierte Kampfdrohne als vielmehr Moderator, der geschmeidig durch widersprüchliche Machtarrangements tänzelt. Klingbeil startete mit dem glücklosen Martin Schulz, überstand acht auch kommissarische Vorsitzende sowie eine vergurkte Europawahl. Als runder Tisch auf zwei Beinen integriert Klingbeil Hip-Hop und Schröder, Diät und Stadionwurst, Diversity und FC Bayern. Als Spross einer Soldatenfamilie verweigerte er den Wehrdienst, als dem Pazifismus verpflichteter Sozialdemokrat gewann er seinen Wahlkreis Rotenburg I – Heidekreis glorreich direkt, der einen großen Truppenstandort beherbergt. Er kann mit Scholz und Kühnert und wird seine künftige Mitvorsitzende charmant einhegen. Weil Klingbeil auf ein Ministeramt verzichtet, wird auch Saskia Esken dem Kabinett wohl fernbleiben; der Dank des mutmaßlichen Kanzlers Scholz ist ihm gewiss, und damit ein späterer Aufstieg.

Übersteht Ziemiak die Führungskabbeleien, ist ihm eine große Zukunft gewiss

So ähnlich hatte sich auch Paul Ziemiak seine Zukunft vorgestellt. Der Sohn polnischer Aussiedler hat ebenfalls eine bunte Wertewelt vorzuweisen, von der eigenen Integration über ein gescheitertes Jurastudium und das Katholische bis hin zum Befürworten der Gleichstellung homosexueller Paare. Ziemiak hat das Glück, dass die krachende Wahlniederlage dem Kandidaten Laschet oder seinem Widersacher Söder zugeschrieben wird, aber kaum ihm. Übersteht Ziemiak die Führungskabbeleien, ist ihm eine große Zukunft gewiss – eine ziemlich exklusive Perspektive derzeit in der Union.