Hamburg. Landespastor Dirk Ahrens sagt Danke für die Hilfsbereitschaft vieler Bürger gerade in den Zeiten der Pandemie.

Diakonie-Chef Dirk Ahrens hat die Spenden- und Hilfsbereitschaft der Hamburger im zurückliegenden Jahr gewürdigt. Trotz und gerade wegen der Corona-Pandemie hätten sich viele Menschen für andere eingesetzt. „Ich werde nicht vergessen, wie uns im Frühjahr mehr als 6000 Hoffnungsbriefe für Menschen in Pflegeheimen erreichten“, sagte er dem Abendblatt.

„Wildfremde“ Menschen hätten sich zuhause hingesetzt und ihnen unbekannten Pflegeheimbewohnern teils sehr liebevoll gestaltete Briefe geschrieben. Doch nicht nur das. Auch die Obdachlosehilfe konnte neue Wege gehen.

„Ganz unglaublich war der Moment, an dem wir dank einer Großspende plötzlich in der Lage waren, 80 Obdachlose für drei Monate in Hotelzimmern einzeln unterzubringen und sie so vor Corona zu schützen“, sagt Ahrens, der seit 2014 Landespastor und Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes in Hamburg ist.

Obdachlose sind besonders betroffen

In diesem Winter kann das Projekt der Partner Alimaus, Hinz & Kunzt, Diakonie Hamburg und Caritas sogar fortgeführt werden: Das Hamburger Unternehmen Reemtsma stellte dafür erneut 300.000 Euro zur Verfügung. Die Projektpartner reagieren damit auf die anhaltend hohe Gefährdung der Betroffenen, gerade in der kalten Jahreszeit.

Während die Stadt die Zahl der Plätze in Gemeinschaftsunterkünften im Winternotprogramm erhöht hat, setzt das Bündnis auf Einzelunterbringung als wirksamsten Corona-Schutz. Das Engagement umfasst auch die Begleitung durch Sozialarbeiter und nach Möglichkeit eine regelmäßige Essensversorgung sowie die Bereitstellung von Hygieneartikeln und sauberer Kleidung.

„Dass wir das jetzt nach dem Frühjahr für fünf Monate wiederholen können, das macht mich wirklich dankbar“, betonte Ahrens.

Für Notfonds der Diakonie-Stiftung spendeten Bürger rund 150.000 Euro

„Das Glück und das ungläubige Staunen in den Augen der Betroffenen zu sehen und mitzukriegen, wie sehr die Einzelunterbringung zu Erholung und Gesundung führt, das war für mich ein Geschenk“, freut sich Dirk Ahrens, der von 2001 bis 2009 Gemeindepastor an der Wandsbeker Kreuzkirche war. Die Hilfsbereitschaft der Menschen hat die leitenden Diakonie-Experten in diesem Jahr tatsächlich positiv überrascht.

Für den Corona-Notfonds der Diakonie-Stiftung MitMenschlichkeit spendeten fast 1000 Bürger in kurzer Zeit rund 150.000 Euro. Das Geld wurde dringend gebraucht für die Hotelunterbringung wohnungsloser Menschen, hygienisch verpackte Mahlzeiten an den Essensausgabestellen, für Webcams und Mikrofone in den psychologischen und sozialen Beratungsstellen. Und natürlich auch für Schutzmasken.

Angespannte Situation armer Familien

Diakoniechef Dirk Ahrens: „Es gibt auch ein großes Bewusstsein dafür, was die Pandemie für obdachlose Menschen bedeutet.“ Ebenfalls seien viele Spenderinnen und Spender bewegt von der angespannten Situation ärmerer Familien, die in engen Wohnungen leben und deren Kinder über Monate nicht zur Schule gehen konnten. In diesem Zusammenhang verweist der Diakonie-Landespastor auf die NDR-Aktion „Hand in Hand für Norddeutschland“ zugunsten der Corona-Hilfe für Diakonie und Caritas. Dafür wurde kürzlich das Rekordspendenergebnis von 4,84 Millionen Euro erzielt.

Das Hamburger Abendblatt hatte bereits im Frühjahr zu einer Spendenaktion aufgerufen. Der Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ konnte Lebensmittelgutscheine im Wert von 1,34 Millionen sammeln und an Bedürftige weitergeben – dank der finanziellen Unterstützung von Lesern, Unternehmen und Organisationen ebenfalls ein Rekordergebnis.

Menschen wollen etwas tun

Nach Ansicht von Pastor Ahrens ist die Spendenbereitschaft der Hamburger deshalb so groß, weil die Menschen etwas tun wollen, um die Krise mit all ihren sozialen Verwerfungen auch für sich zu meistern. „Im Lockdown kann man ja sonst nicht viel tun. Menschen aber wollen sich einbringen und mit anpacken. Mit einer Spende wollen sie aktiv zur Lösung des Problems beitragen.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Zum Jahresende hofft die Diakonie übrigens auf weitere Spenden. Denn ihr jährlicher Aufruf „Brot statt Böller!“ bekommt in diesem Jahr eine besondere Deutung, weil Böllern verboten ist – und das kirchliche Hilfswerk „Brot für die Welt“ im nächsten Jahr mit einer Verdoppelung der Zahl akut an Hunger leidender Menschen rechnet. Wahrscheinlich werden davon weltweit 350 Millionen Menschen betroffen sein.

Spendenrückgang bei „Brot für die Welt“ erwartet

Der Diakonie-Pastor sagt zum Feuerwerkverbot: „Für viele Menschen ist das sehr bitter, aber ich ermutige dazu, dass wir etwas Segensreiches darauf machen: 130 Millionen Euro werden in Deutschland jedes Jahr für Silvesterfeuerwerk ausgegeben. Mit diesem Geld können wir welt-weit unendlich viel Gutes tun.“ Jeder einzelne könne dieses Jahr viel Geld sparen, und, fügt er hinzu, an „Brot für die Welt“ spenden.

Wegen des Ausfalls zahlreicher Weihnachtsgottesdienste im ganzen Bundesgebiet, wird momentan ein Spendenrückgang bei „Brot für die Welt“ erwartet. Traditionell wurde in den Gottesdiensten zum Weihnachtsfest im-mer für die Hilfsaktion Kollekte gesammelt.

Im Gesrpäch mit dem Hamburger Abendblatt verweist der Diakonie-Chef auch auf die Mehrbelastungen der diakonischen Arbeitsfelder durch die Pandemie. Beispiel: Telefonseelsorge. Sie verzeichnet eine extrem gestiegene Nachfrage, weil viele Anrufer an ihrer Einsamkeit und den Zukunftsängsten leiden.

Diakonie befürchtet Zulauf bei der Schuldnerberatung

Die Diakonie befürchtet wegen der anhaltenden finanziellen Krise, dass es demnächst einen vergleichbaren Zulauf bei der Schuldnerberatung geben wird. Weiteres Beispiel: Belastungen der Mitarbeitenden in den Pflegeheimen.

Landespastor Dirk Ahrens weiß aus zahlreichen Gesprächen, wie viele von ihnen über die Leistungsgrenze hinaus gehen, um die Bewohner vor Corona zu schützen, gute Pflege zu ermöglichen – ja sogar die fehlenden Angehörigen zu ersetzen. Was er in solchen Gesprächen hört, berührt ihn häufig selbst stark.

„Regelrecht mitgenommen hat mich das Gespräch mit einer Pflegekraft, die nach einer liebevoll gestalteten kleinen Adventsrunde unter Tränen dagegen protestierte, dass in den Medien immer wieder von der Einsamkeit der Senioren in den Pflegeheimen die Rede sei – „als wären wir gar nicht da und unsere Arbeit völlig überflüssig“.

Aufruf zum Gebet

In dieser Situation kommt dem Landespastor ein Wort von Gesundheitsminister Jens Spahn in den Sinn. Der sagte: „Wir werden einander nach der Pandemie viel zu verzeihen haben.“ Diese sei für ihn der „wichtigste Satz des Jahres“, so Landespastor und Diakoniechef Dirk Ahrens.

Dass die Pandemie uns alle an die Grenzen führt, macht der Theologe mit diesen Worten deutlich: Sie zeigt, wie verletzbar wir Menschen sind.

„Unser gefühltes ‚Recht‘ auf Glück, Gesundheit und Wohlstand ist eine Fama“. Stattdessen hätten sich die Menschen zu bewähren. „Vor allem ist Corona ein Aufruf zum Gebet um alles, was uns unverfügbar ist: Gesundheit der Menschen, die uns nahestehen, Kraft und Durchhaltevermögen der Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Heimen, Besonnenheit und Klugheit der Politiker.“

Impfstoffe sind ein Hoffnungszeichen

Ahrens weiter: „Und ganz besonders das Gebet darum, dass wir bald probate Mittel gegen diese Pandemie haben.“ Die neuen Impfstoffe seien auf jeden Fall ein Hoffnungszeichen. Ahrens geht davon aus, dass sie im neuen Jahr „unsere Freiheit“ zurückgeben.

Deshalb sei es so wichtig, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen. „Wir müssen verstehen, dass das im Moment der einzige Weg aus der Pandemie und ihren Einschränkungen ist“, so der Diakoniechef.

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