Stuttgart. Hamburgerinnen setzen sich im Hallenfinale in Stuttgart gegen Titelverteidiger Düsseldorf durch. Herren hadern nach Aus im Halbfinale.

Ungläubig schaute Emily Wolbers den Mann mit dem Mi­krofon an und fragte zweimal nach. Sollte er wirklich sie gemeint haben mit der Anfrage, sie möge doch zum Fernsehinterview kommen? Für die 22-Jährige sind solche Anfragen so geläufig wie Schnee in der Sahara, aber wer im Endspiel um die deutsche Meisterschaft zwei Tore schießt und seinem Team entscheidend zum Titelgewinn verhilft, muss damit rechnen, eine gefragte Frau zu sein.

Sieben Tore hatte Emily Wolbers in der Hauptrunde der Hallenhockey-Bundesliga zum Nordmeistertitel des Club an der Alster beigetragen. Dass beim
4:3 (1:2)-Sieg im Finale der Final-Four-Endrunde in der Stuttgarter Scharrena gegen Titelverteidiger Düsseldorfer HC zwei enorm wichtige dazukamen, erzählte letztlich die Geschichte dieses fünften Hallentitels für Alsters Damen. Es war die qualitative Breite im Kader von Cheftrainer Jens George, die es möglich machte, den Ausfall von sechs A-Nationalspielerinnen zu kompensieren, die aus Gründen der Belastungssteuerung im Olympiajahr die Hallensaison nicht spielen konnten.

Breiter Kader, der jeden schlagen kann

„Wir haben einen so breiten Kader, dass wir jeden schlagen können. Diese mannschaftliche Geschlossenheit führt uns zum Erfolg“, sagte Emily Wolbers – und unterstrich damit das, was George zu Beginn der Saison nur zu hoffen gewagt hatte. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir es ins Final Four schaffen würden“, gab der chronisch heisere Coach zu, als er das erste Siegerbier in der Hand hielt, „umso höher ist die Leistung meiner Mannschaft einzuschätzen.“ Er wolle den Titel nicht mit dem von vor zwei Jahren vergleichen, den Alster ebenfalls gegen den DHC gewonnen hatte. „Man hat heute gesehen, dass unser zweiter Block aggressiver und cleverer war als der des DHC.“

Düsseldorf, für das die ehemalige Hamburger Nationaltorhüterin Kristina Reynolds (35) vier Jahre nach ihrem Karriereende reaktiviert worden war, um Auswahlkeeperin Nathalie Kubalski zu ersetzen, hatte im Halbfinale den Nordzweiten Harvestehuder THC mit 6:3 (3:0) ausgeschaltet. „Wir haben nicht die qualitative Breite, um gegen die abso­luten Topteams mitzuhalten“, sagte HTHC-Chefcoach Christian Blunck, den der Ausfall seiner besten Hauptrundenspielerin Annelotte Ziehm (Bruch des Schienbeinkopfes) schmerzte, „aber wir können stolz auf die Saison sein.“

In beiden Partien drehten Hamburgerinnen auf

Das gilt umso mehr für Alsters Damen, die in Torhüterin Amy Gibson die wertvollste Spielerin der Endrunde stellten. „Ich freue mich über die Auszeichnung, aber ich glaube, dass die Teamleistung im Mittelpunkt stehen muss. Wir sind Wettkämpfer und haben das wieder bewiesen“, sagte die Schottin, die schon im Halbfinale beim 5:2 (1:1) gegen Uhlenhorst Mülheim stark gehalten hatte.

In beiden Partien hatten die Hamburgerinnen nach einer schwachen ersten Halbzeit aufgedreht. „Ich musste an beiden Tagen in der Pause laut werden und die Mädels daran erinnern, dass es Mut und Vollgas braucht, um Meister zu werden“, sagte George, „und beide Male haben sie es super umgesetzt.“

Das sah auch Hanna Valentin so. Die Torjägerin, mit drei Toren gegen ihren Ex-Club Mülheim im Halbfinale Matchwinnerin, sagte: „Wir haben im richtigen Moment den nötigen Gang hochgeschaltet und uns den Titel mit einer starken Teamleistung verdient.“ Die Kapitänin, die den Meisterwimpel und den Wanderpokal entgegennehmen durfte, zerstörte bei der Siegerehrung umgehend den Ehrenpreis, ein hässliches blaues Plastikpferd, als sie im Überschwang der Gefühle aus Versehen darauf herumsprang. „Dass bei Hockeyfeiern immer etwas kaputtgeht, ist ja bekannt“, sagte sie mit einem Schmunzeln.

Keine Hoffnung mehr auf Doppeltriumph

Wo die Meisterparty stattfinden würde, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Wegen des Sturms „Sabine“ wurden die für Alsters Damen gebuchten Flüge annulliert, das Team stieg deshalb kurzfristig auf Mietwagen um. „Irgendwann werden wir schon im Clubhaus ankommen. Und dann geht es rund“, sagte Valentin.

Die Hoffnung der Alster-Fans auf einen Doppeltriumph hatte Rot-Weiß Köln zunichtegemacht. Alsters Herren unterlagen als Titelverteidiger im Halb­finale nach Penaltyschießen mit 11:12 (7:7, 5:3) und haderten danach mit den Schiedsrichtern, die beim entscheidenden Treffer von Florian Pelzner übersehen hatten, dass der Kölner Kapitän auf den Schläger von Alster-Torhüter Mark Appel getreten und diesen damit regelwidrig behindert hatte. Die anschließenden Proteste halfen nichts, die Entscheidung stand, da kein Videobeweis zur Verfügung stand.

„Ich kann meiner Mannschaft kaum einen Vorwurf machen. Bis auf die Phase zehn Minuten nach der Halbzeit, als wir eine 5:3-Führung hergeschenkt und 5:6 zurückgelegen haben, haben wir eine sehr gute Leistung gezeigt“, sagte Cheftrainer Sebastian Biederlack. Der Nordmeister war in den hochklassigen 60 Minuten über weite Strecken mindestens ebenbürtig und hatte sich das 7:7 verdient. So musste das Penaltyschießen entscheiden, in dem der zuvor zweifache Torschütze Christian Reimann als einziger zweimal verschoss. „Es nervt mich tierisch, dass wir auf diese Art verloren haben. Aber letztlich war es eine starke Saison meiner Mannschaft“, sagte Biederlack. Rot-Weiß Köln gewann am Sonntag das Finale gegen den Berliner HC mit 7:6 (4:2).