Berlin. Eine Reihe neuer Serien und Fernsehkomödien dreht die Rollenbilder um. Sie könnten die Sicht unserer Töchter grundlegend verändern.

Als junges Mädchen hatte ich nur Anspruch auf einen Archetyp von romantischer Komödie. Boy meets Girl, wobei wesentlich reicherer, bessergestellter Typ, ärmere mit sich selbst hadernde Frau trifft. In „Wedding Planner“ lernt Hochzeitsplanerin Mary (Jennifer Lopez, Dienstleistungssektor) den leitenden Arzt Steve (Matthew McConaughey, Führungsetage) kennen.

In „E-Mail für Dich“ begegnet Buchhändlerin Kathleen dem Buchketten-Mogul Joe (Tom Hanks). Worst Case: In „Pretty Woman ist Richard Gere Investmentbanker und Julia Roberts, sein love interest, eine Prostituierte. Und ewig könnte ich weitermachen: „Während Du schliefst“ (Sie Waise, Ticketverkäuferin, Er Möbeldesigner), „Breakfast at Tiffany’s“ (Sie Party Girl, Er Schriftsteller), „Working Girl“ (Sie Sekretärin, Er Makler).

Subtext: Erfolg ist abschreckend für Männer

Meine Einstellung zu romantischen Begegnungen war damit als junge Frau eindeutig geformt, der Subtext klar. Wenn ich beruflich nicht zu erfolgreich bin, vor mich hinlebe und dabei aber auf eine natürliche Art umwerfend aussehe, dann falle ich bestimmt mal einem Mann auf. Im Grunde lautete die Botschaft: Bleib beständig (ein bisschen) dumm, sonst bleibst Du alleine. Denn Erfolg ist abschreckend für Männer, das wusste schon meine Großmutter.

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Sei nicht zu laut, Sandra Bullock trägt XXL-Pullover und lange Röcke, um die Sensibilität ihrer Rolle zu betonen. Julia Roberts ist im Film auch dann erst „Pretty Woman“, als ihre Kleidung Upper Class, Eleganz und Mäßigung ausstrahlt. Das waren die Nullerjahre. Und jetzt kommt eine neue Zeit. Denn glücklicherweise war es das wohl mit den Happy Ends nach Rezept.

Neue Serien krempeln das Genre um

Immer gierig nach romantischen Komödien geblieben, stellte ich zuletzt fest, dass eine Reihe neuer Filme und neuer Serien das Genre derzeit völlig umkrempeln. Da ist zum Beispiel die Netflix-Komödie „Always be my maybe“ mit US-Comedienne Ali Wong. Sie spielt darin die Chefköchin Sasha Tran, er den Stubenhocker, Musiker und Gelegenheitsjobber Marcus Kim.

Steiler ist die Paarkonstellation nur in „Long Shot“. Charlize Theron mimt darin die US-Verteidigungsministerin, die mit dem arbeitslosen Journalisten Fred anbandelt. In der Amazon-Serie „Mrs. Maisel“ wird sie zur ersten weiblichen Alleinunterhalterin und erfüllt sich damit seinen Lebenstraum.

„Will er nicht fotografiert werden, Mama?“

Meine fünfjährige Tochter hat die Angewohnheit, nach 20 Uhr, wenn ihr Bruder schläft, noch einmal ihr Bett zu verlassen und zu mir auf die Couch zu klettern. Tatsächlich hat das mit ihrem Bio-Rhythmus schon von Babytagen an zu tun – sie schläft ungerne vor halb 10 Uhr. So kennt sie für ihr junges Alter schon eine Reihe an romantischen Komödien.

Gebannt schaute sie zu, wie Theron auf Fred trifft, wie Marcus für Sasha die Handtasche hält, während sie von den Fotografen auf dem roten Teppich abgelichtet wird. „Will er nicht fotografiert werden, Mama?“, fragte meine Tochter mich. „Vielleicht“, antworte ich. „Aber sie ist berühmt, er nicht.“ Sie nickte, scheinbar zufrieden.

Filme bestimmen Gesellschaftsbilder

Unsere Töchter lernen – und sei es durch Filme – , dass Männer das Plus Eins auf Partys sind, Windeln wechseln, Fotos von den wichtigen Momenten ihrer Partnerin machen, Lebensmittel einkaufen gehen, weinen, bügeln, Begleiter, Zuhörer sind – und die Handtasche tragen, wenn sie ein Foto machen muss. Sie lernen, dass nicht sie in zweiter Reihe stehen müssen, sie lernen sich nicht selbst auszubremsen.

Filme bestimmen Gesellschaftsbilder, dokumentieren Wandel. Meine Tochter soll die Klassiker mit der Zuckerguss-Schicht nicht sehen müssen, zumindest nicht jetzt – es sei denn mit Distanz. Als würden wir ein Märchen aus einer längst vergangenen Zeit lesen.

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