Hamburg. Für 50 Prozent geht die „Pflicht“ vor. Jeder Vierte hält sich für weitgehend unentbehrlich. Eine Krankenkasse warnt vor dem Trend.

Laut einer Studie der Schweizer Universität St. Gallen aus dem vergangenen Jahr sind rund 67 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens einmal krank zur Arbeit gegangen. „65 Prozent der Befragten gaben an, dies aus Pflichtgefühl getan zu haben, 50 Prozent nahmen Rücksicht auf Kollegen und 28 Prozent waren der Meinung, kein anderer könne die eigenen Arbeit machen“, sagte Frank Liedtke, Landesgeschäftsführer der Krankenkasse Barmer in Hamburg.

Riskantes Verhalten „Getriebener“

„Menschen, die krank zur Arbeit gehen, scheinen Getriebene zu sein, die zu wenig auf Signale ihres Körpers achten. Ein riskantes Verhalten aus medizinischer und volkswirtschaftlicher Sicht“, sagte Liedtke. „Leichte Kopfschmerzen müssen einen nicht gleich davon abhalten, arbeiten zu gehen. Doch wer stark erkältet ist oder sogar Fieber hat, gehört ins Bett und sollte sich gründlich auskurieren.“

Wer zu früh an seinen Arbeitsplatz zurückkehre oder die Krankheit verschleppe, dem drohten dauerhafte Schäden oder gar eine Chronifizierung der Krankheit. Die Arbeitnehmer würden dann also umso länger ausfallen. „Und es gibt da ja auch noch die Ansteckungsgefahr, die in der Firma zu einem Dominoeffekt führen kann“, sagte der Hamburger Kassenchef.

Präsentismus als teure Krankheit

Je nach Schwere der Krankheit wird in der Forschung zwischen krankheitsbedingtem und therapeutischem „Präsentismus“ unterschieden. Von Letzterem spricht man, wenn der Arbeitnehmer auf ausdrückliche Empfehlung des Arztes arbeiten geht. Problematisch sei folglich der krankheitsbedingte Präsentismus. „Studien belegen, dass Präsentismus die Unternehmen doppelt so teuer zu stehen kommt wie krankheitsbedingte Ausfälle“, sagte Liedtke. „Da aber Angst offenbar ein Hauptgrund für Präsentismus ist, tun Arbeitgeber und Führungskräfte zum Beispiel gut daran, wirtschaftlichen Druck nicht einfach nach unten weiterzugeben.“

Zudem zeigten Studien, dass es einen Zusammenhang zwischen Präsentismus und der Gesundheitskompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Das bedeute: Je verantwortungsbewusster die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer Gesundheit umgehen, desto weniger ist Präsentismus ein Problem.