Hamburg. Der Ex-Rocker musste trotz einer Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Haft aus der U-Haft entlassen werden.

Seit gut einer Woche ist Musa K. wegen einer Justiz-Panne wieder auf freiem Fuß. Der ehemalige „Road Captain“ der Rockergruppe „United Tribunes“ hatte eine Frau mehrfach vergewaltigt, war deshalb und wegen Geiselnahme vom Landgericht im Oktober 2017 zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Eigentlich hätte er nach dem Schuldspruch in Untersuchungshaft bleiben sollen: Das Urteil war noch nicht rechtskräftig geworden, weil Verteidigung und Staatsanwaltschaft Revision dagegen eingelegt hatten. Nachdem das Verfahrensprotokoll aber viel zu spät, nämlich erst im März 2018, fertig geworden war, musste Musa K. auf seine Haftbeschwerde hin entlassen werden.

Justiz-Panne an höchster Stelle geklärt

Zuvor hatte bereits das Hanseatische Oberlandesgericht die Maßstäbe von Haftbeschwerden verschärft – und zwar zugunsten der Inhaftierten. Wie es zur verzögerten Protokokoll-Erhebung kommen konnte, hat die Hamburger Justiz nun von höchster Stelle aufklären lassen.

Die Nachforschungen liefen über den Vize-Präsidenten des Landgerichts, Bernd Lübbe, der für die Verwaltung zuständig ist – für die organisatorischen Abläufe also, die nicht in den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit fallen. Diese Nachforschungen, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen, hätten ergeben, dass sich die Protokollkräfte mustergültig an die Vorgaben zur Protokoll-Erstellung gehalten hätten und entsprechend keine Schuld an der Panne tragen.

Große Strafkammer verantwortlich

Damit geht die verzögerte Erstellung offenbar allein auf die für den Fall zuständige Große Strafkammer des Landgerichts zurück. In diesem Zusammenhang hatte Wantzen im Abendblatt bereits von einer Überlastung der Strafkammern insgesamt gesprochen."Die hohe Belastung der Strafkammern, vor allem durch parallele Haftsachen, führt fast unvermeidlich dazu, dass die rechtzeitige Erstellung der Protokolle die Kammern vor erhebliche Probleme stellt“, sagte Wantzen. „Gerade die für Musa K. zuständige Kammer hat über Monate hinweg und mit über-obligatorischem Einsatz an mehreren Haftsachen parallel gearbeitet“, so der Gerichtssprecher weiter.

Besserung sei aber in Sicht: Justizsenator Till Steffen (Grüne) habe im vergangenen Jahr die Einrichtung von vier neuen großen Strafkammern am Landgericht angekündigt, außerdem sollen vier Kräfte für die Geschäftsstellen eingestellt werden. Damit werde dem Personalnotstand jetzt abgeholfen, sagte Wantzen. "Die Erleichterung darüber ist sehr groß bei den Gerichten."

Keine Auflagen für Musa K.

Während das Revisionsverfahren läuft, bleibt Musa K. jedenfalls auf freiem Fuß. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes dürfte noch Monate auf sich warten lassen. Meldeauflagen gebe es für ihn nicht, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen. Das bedeutet auch: Die Behörden wissen bis dahin nicht, wo er sich befindet. Theoretisch könnte der verurteilte Vergewaltiger auch ins Ausland reisen. Im schlimmsten Fall erhielten die Behörden erst dann Gewissheit, wenn Musa K. seiner Ladung zum Strafantritt nicht folgen würde. Dann freilich wäre es zu spät.