Hamburg. Zum Auftakt einer neuen Serie stellt sich Michael Eggenschwiler den Fragen der Abendblatt-Leser. Hier sind seine Antworten.

Händeschütteln, kurze Vorstellung – und schon ist man mitten im Thema: der Fliegerei. Das neue Logo der Lufthansa sorgt für Gesprächsstoff zwischen dem Hamburger Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler und den Abendblatt-Lesern Nicola Verstl und Boyke Christensen, einem Vielflieger. Das Treffen ist der Auftakt für ein neues Format. Drei- bis viermal im Jahr werden sich wichtige Personen der Hansestadt den Fragen unserer Leser stellen. Zum Auftakt nimmt sich Eggenschwiler zwei Stunden Zeit und seine Gäste mit auf eine Tour über den Airport in Fuhlsbüttel. Mit einem Kleinbus geht es zu einem Tor im Süden und zur Sicherheitskontrolle. Es ist die Zufahrt, die die Lastwagen nutzen, um auf die Baustelle zu fahren. Bis 2020 wird für 120 Millionen Euro das Vorfeld grundhaft erneuert – der Startschuss für das Interview.

Werden eigentlich sämtliche Lastwagen durchleuchtet?

Michael Eggenschwiler: Nein. Bei den Kieslastern, die nicht durchleuchtet werden können, werden Spürhunde eingesetzt. Zudem gibt es sogenannte sichere Versender, wie der Dutyfreeshop-Betreiber Gebrüder Heinemann, die für die Sicherheit der Ware ab ihrem Lager garantieren. Sämtliche Mitarbeiter der Baustelle sind aber sicherheitsüberprüft.

Apropos Sicherheitsüberprüfung: Bei der gibt es immer wieder Probleme, wenn Sie Personal für die Gepäckbeförderung suchen – die ja durch mitunter lange Wartezeiten Negativschlagzeilen gemacht hat ...

Michael Eggenschwiler: Natürlich fällt manchmal auch einer durch die Sicherheitsüberprüfung durch. Grundsätzlich finden wir aber gutes Personal. Wir haben seit dem Herbst 40 bis 50 neue Kräfte eingestellt, sehen uns in dem Bereich gut aufgestellt. Aber wir stellen auch weiterhin noch ein.

Gibt es Preisunterschiede, ob ein Flugzeug an den Fluggastbrücken andockt oder weiter draußen parkt?

Michael Eggenschwiler: Nein, das macht keinen Unterschied. Die Start- und Landegebühren sind gleich. Wenn die Airlines draußen parken, haben sie keine Kosten für die Fluggastbrücken, müssen aber für den Bustransfer zahlen. Auch an den Walk-in-Walk-out-Gates, bei denen die Passagiere zu Fuß zu den Maschinen laufen, sind die Kosten auf gleichem Niveau, weil höhere Personalkosten auflaufen.

Wie wichtig ist die Luftfracht?

Michael Eggenschwiler: Sie hat im vergangenen Jahr erneut zugelegt. Über Hamburg werden vor allem viele Kleinteile für Schiffe, Luftfahrt und Medizintechnik transportiert. Die Hälfte fliegt weiter, die andere Hälfte fährt weiter. Lufthansa fährt beispielsweise einen großen Teil per Lastwagen nach Frankfurt. Emirates ist der größte Kunde, aber auch Turkish Airlines hat viel Fracht.

Für wie viele Passagiere ist der Flughafen Hamburg ausgelegt?

Michael Eggenschwiler: Berlin-Tegel war einmal für zehn Millionen Passagiere ausgelegt, hat im vergangenen Jahr aber 20 Millionen abgefertigt. Das Entscheidende ist die Größe der eingesetzten Maschinen, das Wachstum hängt von ihnen ab. Wir hatten im Januar beispielsweise fast sieben Prozent weniger Flüge bei konstanter Passagierzahl.

Warum gibt es keine Kooperation mit den Flughäfen in Hannover, Bremen und Lübeck?

Michael Eggenschwiler: Das kann man systematisch nicht organisieren, so eine Kooperation kann nicht klappen. Wie soll das aussehen? Wenn es bei uns gerade eng ist, landet der Flieger in Bremen? Und wie kommen die Passagiere dann nach Hamburg? Die Passagiere nutzen aber den Wettbewerb, fliegen zum Beispiel ab Hannover, wenn die Preise dort wegen unterschiedlicher Ferientermine niedriger sind.

Die vielen späten Starts und Landungen zwischen 23 und 0 Uhr sorgen bei den Anwohnern für Ärger. Wie ist denn das Verhältnis zu den Nachbarn?

Michael Eggenschwiler: Wir sind in der Nachbarschaft sehr präsent, machen verschiedene Aktionen. Dialog ist auch eine Lernkurve, aber mittlerweile ist der Umgang miteinander fair. Man muss auch klar sagen: Von 0 bis 6 Uhr ist hier Ruhe. Wenn Sie in dieser Zeit etwas hören, dann gibt es eine Ausnahmegenehmigung, einen medizinischen Notfall oder eine Notlandung aus technischen Gründen.

Wovon hängt es ab, in welche Richtung gestartet und gelandet wird?

Michael Eggenschwiler: Der Wind ist das Entscheidende. Es soll möglichst immer gegen ihn gestartet und gelandet werden. Auch auf möglichst kurze Rollwege wird geachtet. Hinzu kommt, dass seit vielen Jahren das Stadtgebiet nur noch bei extremen Winden überflogen werden soll. Oder wenn wir einmal pro Jahr die andere Bahn zur Erneuerung sperren. Entschieden wird dies letztlich von der Flugsicherung und den Piloten. Die meisten Starts finden über Norderstedt statt, die meisten Landungen über Lemsahl/Langenhorn.

Seit einiger Zeit gibt es Gepäckaufgabeautomaten. Will man damit nicht nur Personal sparen?

Michael Eggenschwiler: Nein. Das wird für die Passagiere angenehmer. Die Passagiere können sich einen freien Automaten aussuchen, weil diese nicht mehr an eine Airline gebunden sind. So gibt es insgesamt weniger Schlangen bei der Gepäckaufgabe. Das Fliegen wird effizienter und entspannter. In ein paar Jahren werden wir wahrscheinlich so weit sein, dass es in den Koffern elektronische Chips gibt, über die das Gepäckstück gesteuert wird.

Welchen Einfluss haben Sie auf die Preise in der Gastronomie? Die sind für eine – zwar recht gute – Systemgastronomie doch recht hoch.

Michael Eggenschwiler: Die Kostenstrukturen sind aber auch eine ganz andere als in einer normalen Gaststätte. Es fängt damit an, dass es viel aufwendiger ist, die Ware hier in den Sicherheitsbereich zu bringen. Es kommen längere Betriebszeiten hinzu. Um 4 Uhr morgens geht es los. Wir versuchen, einen vernünftigen Mix zu erreichen. Das ist die Kunst: Bei uns muss sich der Geschäftsmann wohlfühlen, der einmal am Tag etwas Gutes essen will, und auch der Billigflieger, der günstig etwas essen will. Passagier und Gastronom müssen zufrieden sein.

Ist es für den Flughafen auch wichtig, dass das Umfeld hierher zum Essen oder Einkaufen kommt?

Michael Eggenschwiler: Wir sind kein Einkaufszentrum für die Nachbarschaft und wollen das auch nicht sein. Aber wir haben über 15.000 Beschäftigte, die ein Bedürfnis nach einer Reinigung oder nach Kleidern haben – auch für die muss der Mix stimmen.

Wird dieser wirtschaftliche Faktor von 15.000 Jobs in der öffentlichen Diskussion manchmal vergessen?

Michael Eggenschwiler: Ja – und vor allem seine Folgeeffekte. Wir haben das im vergangenen Herbst einmal vom Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut untersuchen lassen. Jeder Arbeitsplatz hier schafft noch einmal 1,8 Arbeitsplätze an anderer Stelle in Hamburg. Und über den Flughafen angereiste Gäste geben rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr in der Stadt aus.

Wie wichtig sind Carsharing und S-Bahn für Sie?

Michael Eggenschwiler: Wir haben schon relativ große Flächen für das Carsharing bereitgestellt und sind mit den Verantwortlichen in Gesprächen. Die S-Bahn ist Gold wert. Wir hoffen, dass bald die Frequenzen erhöht oder Doppelzüge eingesetzt werden. Ein Drittel der Passagiere kommt mittlerweile mit der S-Bahn – und mindestens ein Viertel der Mitarbeiter hat eine Abo-karte. Unsere Beschäftigten bekommen übrigens einen höheren Zuschuss dafür, wenn sie auf einen Parkplatz verzichten.

Gutes Stichwort: Wie hoch ist eigentlich die Auslastung der Parkplätze?

Michael Eggenschwiler: Die ist sehr hoch. Im Sommer mieten wir immer noch Flächen hinzu. Wie haben Bereiche für Langzeit- und Kurzzeitparker und für den Hol- und Bringverkehr.

Werden da Knöllchen verteilt?

Michael Eggenschwiler: Oh ja! Von unserem eigenen Abschleppdienst. Wir haben viele Vielflieger. Wenn wir das Falschparken nicht konsequent ahnden würden, würde sich das herumsprechen.

Wie sieht es mit Ihrem Fuhrpark aus? Ist der schon auf alternative Antriebe umgestellt?

Michael Eggenschwiler: Von unserer Fahrzeugflotte verfügt mehr als ein Drittel über alternative Antriebe. Die Mannschaftswagen fahren statt wie früher mit Diesel seit Jahren mit Gas, die Schlepper zum Ziehen der Gepäckwagen tun dies bereits in der dritten Generation. Und die Flugzeuge, die direkt am Terminal stehen, erhalten den Strom über die Brücke und müssen die Hilfsturbine nicht einschalten. Das wird künftig auch draußen auf dem Vorfeld so sein, dann kommt der Strom aus dem Boden.

Womit wir wieder bei der Baustelle wären: Wie häufig muss so eine Generalsanierung gemacht werden? Alle paar Jahre?

Michael Eggenschwiler: Nein, nein, alle 50 bis 60 Jahre.

Findet man nach dem Aufbrechen der Betonschicht auch mal verdrecktes Erdreich?

Michael Eggenschwiler: Das wird überprüft und gibt es natürlich schon einmal. Aber bisher wurde nichts Dramatisches gefunden.

Wird es Neuerungen durch die Baustelle auf dem Vorfeld geben?

Michael Eggenschwiler: Wir werden beispielsweise eine Doppelrollgasse haben. Auf dieser können zwei Maschinen der A320-Familie nebeneinander rollen. Das verkürzt die Standzeiten. Die Piloten werden dem modernen Leitsystem „follow the greens“ folgen. Derzeit arbeiten wir an der fünften Phase der Vorfeldsanierung. Es ist der letzte Abschnitt direkt an den Terminals. Im Sommer haben wir dann wieder alle Fluggastbrücken im Einsatz, einige Bustransfers fallen weg.

Welche weiteren großen Infrastrukturprojekte gibt es?

Michael Eggenschwiler: Die alten Frachthallen werden abgerissen. Auf der Rückseite wird es dann sechs neue Fluggastbrücken geben. Das erhöht den Komfort. 2021 werden sie fertig sein. Auf das Vorfeld kommt ein Übergangsterminal hin, das wir dann mit Shuttlebussen im Drei-Minuten-Takt anbinden wollen. Von dort gehen die Passagiere zu Fuß zum Flugzeug. Und wo heute das Terminal Tango steht, kommt eine neue Gepäckanlage hin. Jedes Gepäckstück wird im Keller durchleuchtet und dann zu den Maschinen gebracht. Die Kunst ist es, auf diesem engen Raum hier, diese Entwicklungen möglich zu machen. Das muss alles gut vorgeplant sein.

Aufgezeichnet von Wolfgang Horch