Hamburg. Das Haus des Hamburg-Mannheimer-Gründers soll zur Begegnungsstätte im Stadtteil Niendorf werden.

Die Botschaften bleiben erst mal dran. Zur Sicherheit. Schon vor Jahren hatten Randalierer angefangen, Scheiben der alten Villa einzuwerfen. So verlassen und unbewohnt wirkte das einst prächtige Haus. Marc Schlesinger, bis heute letzter und einziger Mieter der Gründerzeitvilla im Niendorfer Gehege, sah sich gezwungen, Zettel an die Außenwand zu heften: „Bitte keine Scheiben einschmeißen. Dieses Haus wird noch bewohnt.“ Dabei bleibt es vorerst. Genau wie Schlesinger bleiben will.

Nach jahrelangem Hickhack scheint es nun, als wären diese vorbeugenden Gebäudeschutz-Maßnahmen bald überflüssig. Die sogenannte Mutzenbecher-Villa, um 1900 errichtetes Landhaus von Hermann Mutzenbecher (der die Hamburg-Mannheimer gründete) und zuletzt immer wieder Drehort für Filmproduktionen („Tatort“, „Tatortreiniger“), soll einer neuen Bestimmung übergeben werden. Die Villa wird Bildungs- und Begegnungsstätte.

Bis zum Jahr 2020 soll das Haus wieder hergerichtet sein

Am Donnerstag starteten Kulturbehörde und der zuständige Verein „Werte erleben“ die offzielle und umfassende Sanierung. Bis zum Jahr 2020 soll das Haus mit Hilfe von Gewerbeschülern, Produktions- und Stadtteilschulen sowie der HafenCity-Universität wieder hergerichtet sein. Später sollen vor allem die Schulen, Kitas und Initiativen in Niendorf das Haus nutzen. Das Forum Kollau nebst Stadtteilarchiv könnte an der Adresse Bondenwald 110a eine neue Heimat finden.

Die symbolische Auftaktkonferenz wurde aber noch in recht skurriler Kulisse, nämlich unter Spinnenweben im lange ungenutzten Teils der Villa abgehalten. Vor abgeblätterter Wandfarbe verkündet Kulturstaatsrätin Jana Schiedek jedenfalls nicht alle Tage, dass ein ehemaliger Abrisskandidat nun auch mit Mitteln der Stadt gerettet wird. 200.000 Euro investiert die Kulturbehörde in das inzwischen gesicherte Denkmal. Unter anderem soll die Veranda wieder zugänglich gemacht und die Räume für die Zwecke von Kitas oder Tagungsgesellschaften umgestaltet werden.

Seit 2007 genießt die Villa Denkmalschutz

In einem Gutachten heißt es, das Haus stelle „ein gut erhaltenes Zeugnis der Geschichte Niendorfs dar“. Als ehemaliges Landhaus des Generaldirektors Mutzenbecher bilde es einen zeittypischen Bestandteil der villenähnlichen Bebauung um das Niendorfer Gehege. Es sei ein qualitätvoller Vertreter der gründerzeitlichen Landhausarchitektur. Der Erhalt liege im öffentlichen Interesse. Und das schien am Donnerstag größer als erwartet.

„Ich bin begeistert, wie viele Leute heute dabei sind“, sagte Schiedek mit Blick auf das Publikum an diesem abgeschiedenen Ort. Dass es in dieser „Waldidylle“ demnächst wieder einen öffentlich nutzbaren Ort für „Bildung, Integration und Kultur“ gebe, stehe auch für eine funktionierende Zivilgesellschaft. Denn neben Bezirk, Denkmalschutzamt und Politik hatten sich Privatleute für den Erhalt eingesetzt.

Mit dem Verein „Werte erleben“ sei nun nach einigen Fort- und Rückschritten ein tragbares Konzept beschlossen. Der Verein mietet das Haus für 30 Jahre von der städtischen Saga, saniert und nutzt es. Saniert wird mit jungen Leuten, auch solchen, die praktische Erfahrung für ihre Ausbildung brauchen oder sich dazu Zugang verschaffen können. „30 junge Menschen können hier bestimmt Erfahrungen für den Start ins Berufsleben sammeln“, sagt Gerd Knop, Vorsitzender des Trägervereins. Zu tun gibt es genug. Mauerwerk, Elektrik, Sanitäranlagen – das muss alles denkmalgerecht erneuert werden.

1995 kündigte die Saga eine Instandsetzung an

Bemühungen, das Haus zu erhalten, gab es schon zuvor. 1995 kündigte die Saga eine Instandsetzung an. Es blieb dabei. 2000 zogen die letzten Mieter bis auf Schlesinger aus. 2003 wurden von der Stadt Sanierungskosten in Höhe von knapp 600.000 Euro berechnet. Eine Kita-Nutzung oder die Unterbringung der Waldjugend scheiterten. Die Finanzbehörde wollte das Haus erst abreißen, später verkaufen. Nach letzten Schätzungen belaufen sich die Erhaltungskosten auf bis zu 1,5 Millionen Euro. Der Verein „Werte erleben“ will viel Eigenleistung hineinstecken, ist überwiegend spendenfinanziert. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz etwa beteiligt sich mit 60.000 Euro.

Bei der Führung durch die Villa, die unweit des Forsthauses und der ehemaligen Schweiger-Villa steht, wird der Sanierungsstau deutlich. Aber auch das Potenzial des ehemals repräsentativen Baus. Die Zeiten, in denen Mieter Marc Schlesinger ohne Zentralheizung, ohne Isolierung und ohne Komfort gewohnt hat, sind womöglich bald vorbei. Und mit ihnen die Zettelwirtschaft am Haus.