Hamburg . Neue IP-Telefonie wird vielen Kunden gegen ihren Willen aufgezwungen. Grund ist die Umstellung auf moderne Technik bei der Telekom.

Als Monika B. kürzlich in ihrem Briefkasten die Mitteilung der Telekom fand, dass der Konzern ihren Telefonanschluss kündigen will, war sie in großer Sorge. "Man will mein Call & Surf Comfort-Paket (Flatrate für Telefon, Mail-Verkehr und Internet) zum 21. Januar 2017 kündigen", sagt die Hamburgerin beunruhigt. Zuvor hatte sie immer wieder Schreiben von der Telekom bekommen, in denen sie zum Wechsel ihres Vertrages aufgefordert wurde. Die Krimiautorin, die ansonsten ein recht unerschrockener Mensch ist, wandte sich in ihrer Sorge an befreundete Juristen, an die Nachbarn in Harvestehude und die Medien.

Mit ihrer Befürchtung, bald ohne Telefonanschluss dazustehen, ist Monika B. derzeit in Hamburg längst kein Einzelfall. Auch bei der Verbraucherzentrale in Hamburg gehen schon seit dem vergangenen Jahr derartige Anfragen ein. Die Verbraucherschützer berichten sogar von Fällen, in denen die Telekom nicht nur Briefe verschicke, sondern über Subunternehmen auch Hausbesuche bei den Kunden machen lasse. Die Leute kontrollierten dann vor Ort, ob im Haushalt der für einen neuen IP-Anschluss passende Internet-Router vorhanden ist.

Kunden sollen über das Internet telefonieren

Das Problem: Die bei Millionen von Telekom-Kunden bestehende Telefonie über ISDN wird durch die neue IP-Technologie ersetzt. Dabei wird vereinfacht gesagt über das Internet telefoniert. Dafür sind spezielle Anforderungen im Haushalt zu erfüllen, es muss beispielsweise in etlichen Fällen ein neuer Router angeschafft werden. Vor der Haustür bleibt alles beim Alten, zumindest optisch: Von den grauen Kästen am Straßenrand führen die einzelnen Leitungen zum IP-Anschluss beim Kunden. Diese Kästen, die bisher für ISDN und schnelles Internet DSL genutzt wurden, werden also auch in Zukunft ihre Funktion erfüllen.

Die Methoden, mit der die Telekom ihre Kunden in neue Verträge drängt, die ab rund 30 Euro im Monat kosten, sind nach Angaben der Verbraucherschützer fragwürdig. Im Fall von Monika B. hat die Telekom auf Anfrage des Abendblatts am heutigen Mittwoch darauf hingewiesen, dass sie sich bis Ende Dezember beim Kundenservice des Konzerns melden soll, wenn sie die automatische Kündigung verhindern will.

Umstellung der Anschlüsse bis 2018 geplant

Dabei ist der Hintergrund der neuen Anschlüsse letztlich relativ harmlos: Es geht um die Einführung einer neuen Technologie, die den Anforderungen der digitalen Welt besser genügt als die heutigen Standards, auch wenn sie nicht ganz unanfällig für Probleme ist. Bis 2018, so die Pläne der Telekom, sollen alle 20 Millionen Festnetzanschlüsse auf die so genannte IP-Technik umgestellt werden. Zu der Frage, wann die Kunden in dem verbleibenden Zeitraum in welchen Regionen oder in welchen Hamburger Stadtteilen angeschrieben werden, will sich die Telekom gegenüber dem Abendblatt nicht äußern.

Die IP-Technologie wird auch ­"Voice over IP", kurz VoIP (Stimme über Internet-Protokoll) genannt. Für die Festnetztelefonie ist hierbei keine eigene Frequenz für die Sprachübertragung mehr reserviert. Statt dessen werden Telefongespräche in die Internetdaten (das Internet-Protokoll IP) eingebettet und mit übertragen.

Alte Anschlüsse werden abgeschaltet

Doch derzeit funktionieren zahlreiche Festnetzanschlüsse der Telekom noch mit ISDN-Technologie. "Betroffen von der Umstellung sind Kunden, die mit dieser bestehenden Technologie telefonieren und das Internet nutzen, oder die zusätzlich noch den Fernseher über uns angeschlossen haben", sagt Telekom-Sprecher Markus Jodl. Diese Kunden müssten auf das neue Angebot eingehen, weil die alten Anschlüsse bald nicht mehr funktionieren. Die Haushalte, die nur ein Telefon über die Telekom nutzen, müssten sich um nichts kümmern.

Ebenfalls beruhigt zurücklehnen können sich Kunden anderer Telefonanbieter wie etwa Vodafone. Denn die Telekom-Konkurrenz setzt bei Festnetzanschlüssen bereits seit mehreren Jahren praktisch ausschließlich auf die IP-Technik. Es ist selbstverständlich auch jedem Telekom-Kunden frei gestellt, zu einem anderen Anbieter zu wechseln und damit möglicherweise an einen günstigeren Vertrag zu kommen, sagt Anneke Voß von der Verbraucherzentrale.

Übertragungsqualität eventuell eingeschränkt

Für die Branche ist der neue Standard zwar ein Gewinn: Denn er ist mit geringeren Kosten verbunden. So müssen die Anbieter kein eigenes Telefonnetz mehr unterhalten, sondern es genügt eine reine DSL-Leitung, um die Nutzer mit Telefon und Internet auszustatten. Auf die Verbraucher dürften mit der Umstellung allerdings neuartige Probleme zukommen. Denn das Telefonieren ist nunmehr von einer funktionierenden DSL-Leitung, das heißt etwa von einer funktionierenden Software des Providers wie auch einer ausreichenden Übertragungsqualität der DSL-Leitung abhängig, warnen die Verbraucherschutzzentralen.

So wie jedem Nutzer kurzfristige Ausfälle des Internets vertraut sein dürften, muss man mit derartigen Störungen dann auch bei einem IP-basierten Telefonanschluss rechnen. Schon in den vergangenen Monaten haben Telekom-Kunden, die bereits umgestellt haben, diese Pannen zu spüren bekommen. Unter anderem im öffentlich zugänglichen Online-Service-Forum der Telekom beschwerte sich eine beachtliche Zahl von Nutzern über wiederkehrende, teils mehrstündige Ausfälle ihres Festnetztelefons. Juristisch ist gegen solche gelegentlichen kürzeren Störungen kaum etwas zu unternehmen, sagen die Verbraucherschützer.

Angebot für Neukunden

Mit einem neuen Schnellstartpaket mit LTE-Router und 30 Gigabyte Datenvolumen reagiert die Telekom unterdessen auf das Problem, dass Neukunden lange auf ihren Breitbandanschluss warten müssen. Das Gerät dient dazu, die mitunter langen Zeiträume zwischen Tarifabschluss, Technikertermin, Hardwarelieferung und freigeschaltetem Zugang zu überbrücken.

Das Paket für 49 Euro stellte Telekom-Privatkunden-Chef Michael Hagspihl kürzlich auf der Elektronikmesse IFA vor. Den Router erwerben die Kunden und können ihn somit behalten – die Telekom hofft dadurch auch auf weitere Einkünfte durch zusätzliche mobile Datentarife.