Star Wars

George Lucas ist draußen, der Mythos aber lebt

| Lesedauer: 6 Minuten
Joachim Mischke
Fliegt da der Millennium Falcon? Oder doch ein TIE-­Fighter? Der Droide BB-­8 und die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley)

Fliegt da der Millennium Falcon? Oder doch ein TIE-­Fighter? Der Droide BB-­8 und die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley)

Foto: Disney

Heute Nacht hat das Warten ein Ende: In Hamburger Kinos startet der siebte Teil der „Star Wars“-Saga.

Hamburg.  Anschnallen jetzt, es wird mächtig eng bei den Mythen im Kino-Weltall: Neben den Superhelden-Mengen aus den Marvel-Comics, die sich in Hollywoods Klima zu vermehren scheinen wie die pelzknäueligen Tribbles auf der „Enterprise“, ist bald mit mehreren „Alien“-Filmen von Ridley Scott zu rechnen. In einem Paralleluniversum – einmal zu früh rechts raus, schon ist man drin – startet bald die neue „Star Trek“-Mannschaft durch. Auf der Erde dreschen demnächst Superman und Batman aufeinander ein. Und für nächsten Sommer ist nach 20 Jahren die Fortsetzung von „Independence Day“ angekündigt, dem Abrissbirnen-Science-Fiction-Klassiker von Roland Emmerich.

Sie kommen wieder. Früher oder später kommen alle wieder, mit denen man Hunderte Millionen verdienen und Kinderaugen zum Glänzen bringen kann. Doch nichts ist so groß, so mächtig, so übermächtig mit Hoffnungen und Sehnsüchten beladen wie die 136 Minuten, die folgen, nachdem eine altertümliche Gebrauchsanweisungs-Schrift, durchs All schwebend, zweieinviertel Märchenstunden eröffnet.

Kino-Regisseur J.J. Abrams und der Disney-Konzern werden in den nächsten Wochen die Popcornkino-Arenen dieser Welt fluten, beginnend mit diesem einen Satz, der so harmlos klingt und so all-umfassend ist: „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis.“ Nur wer die letzten Monate unter einem sehr großen Stein sehr weit ab von jedem Schuss verbracht hat, könnte dem weltweiten Vorabrummel entkommen sein. Momentan kann man nicht einmal mehr harmlose Batterien kaufen, ohne mitanzusehen, wie Kinder beim Anblick eines BB-8-Kugeldroiden auf dem Spielzeug-Tresen so gekonnt Papis Ohren volljammern, als wären sie bei Oliver Twist in die Bettellehre gegangen.

Heute Nacht werden die ersten Kinos mit den Previews des siebten Teils der „Star Wars“-Saga, „Das Erwachen der Macht“, dafür sorgen, dass noch generationsübergreifender vom Jedi-Sein geträumt werden kann als zwischen 1999 und 2005. Als George Lucas in drei mehr oder weniger verunglückten Portionen die Vorgeschichte seiner Geschichte ablieferte. 2012 verkaufte Lucas an Disney, für vier Milliarden Dollar, und der Schöpfer war draußen.

Wer ist was und warum bei "Star Wars"?

Viele Teenager von damals sind heute selbst Eltern. Manche Jünger (das Wort ist bei dem Ausmaß an mythisch-religiöser Rauschwirkung nicht übertrieben) der ersten drei Lucas-Filme sind inzwischen mehr oder weniger schrammenfrei durch die erste oder gar zweite Midlife-Krise durch. Mark Hamill, seit seiner ersten Yedi-Ritter-Azubi-Szene auf ewig zum Luke-Skywalker-Sein verurteilt, ist mittlerweile 64 – Alec Guinness war jünger, als er in der 1977er-Ouvertüre den greisen Obi-Wan Kenobi spielte.

Vom Philosophen Kierkegaard stammt die Erkenntnis, das Leben werde zwar rückwärts verstanden, aber vorwärts gelebt. Genau deswegen ist die Rolle vorwärts, die jetzt gemacht wird, ja auch die eigentlich gewagte. Das Gute, das Tolle an Abrams’ Fortschreibung der Saga: Alles ist anders jetzt, 30 Jahre nach dem Finale von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ mit den Ewok-Kampfteddys, und doch ist so vieles genau wie früher. Nur brachialer, fetter, mit noch mehr Rumms und Bumms und Wahnsinn in den futuristischen Schlachtszenen und noch mehr Blut, Schweiß und Tränen bei den traditionellen, rituellen Fechtduellen.

Retro-Behaglichkeit auf dem höchsten Stand der Kino-Technik, dieses Level hatten bereits die ersten drei Teile mit dem jungen, noch sympathischen Darth Vader erreicht. Sonst allerdings wenig. Alle finalen Wendungen dort waren lediglich Déjà-vus, weil die ersten drei Filme popkulturelles Allgemeinwissen waren, Weltkulturerbe. Aber jetzt? Raider heißt jetzt Twix, Darth Vader heißt jetzt Kylo Ren. Und während der eine so kalt war wie Putin auf Staatsbesuch in Nato-Ländern, hat die spätpubertäre Neuauflage des Finsternis-Filialleiters ein Tretminen-Temperament wie Jack Nicholson in den lustigsten Szenen von „Die Wutprobe“. Das böse Imperium wurde zu „First Order“ umetikettiert und benimmt sich bei seinen Schwarz-Weiß-Rot-Aufmärschen so diktatorisch, dass Montagsvorstellungen in Dresden überrannt werden dürften. Die bisherigen Todesstern-Modelle aus den früheren Saga-Teilen sind Kinderspielzeug gegen das Mords-Kaliber in diesem Teil.

Und sonst so? Ändert sich sehr wenig und alles zugleich. Je intensiver man der hellen oder der dunklen Seite der Macht angehört, desto britischer der Akzent in der Originalversion. Chewbacca röhrt zottelpelzig wie immer, Harrison Ford hat immer noch eine Portion Cowboy in seinen wenigen, aber gut sitzenden Textzeilen. Die Heldin ist jetzt ein junges Mädchen auf der Suche nach großen Aufgaben, im Ensemble wird, wie es sich für eine beginnende Langzeiterzählung gehört, ebenso gnadenlos von Regie und Drehbuch aussortiert wie nachgepflanzt.

Beim Atmosphärischen des Films hat Abrams allerdings virtuos zitiert und adaptiert. Die Ausstattung ist liebevoll und detailversessen realistisch. Han Solos „Millennium Falcon“ ist antiquarischer als ein VW Käfer, aber nur, bis der Raumschiffschrott endlich wieder von der Leine gelassen wird. Die Laserschwerter-Geräusche bringen morsche Plomben zum Wackeln, die Welten und Zivilisationen wirken nicht wie schnell zusammengekloppte Kulissen. Überall riecht es von der Leinwand nach Patina, nach Traditionen, nach einem Vorher. Also, ganz wichtig, auch nach einem Zukünftig.

Da „Star Wars“ nicht nur beim Thema Familienaufstellung das wagnerianischste aller Kino-Epen ist, macht die Musik von John Williams auch hier, fast keine Pausen. Ständig wird durch das große Orchester vorangetrieben, kommentiert, aufgewallt und durch die Mangel gedreht, was in der 3-D-Manege passiert. Die Leidmotive aus den ersten Episoden komplettieren den Sagen-Charakter noch, weil sie auf schon gefallene Helden oder Anti-Helden anspielen. Das Raum-Zeit-Kontinuum funktioniert.

Abrams’ Leistung besteht darin, sein punktgenau aufblitzendes Fanboy-Ego in den Dienst des großen Ganzen zu stellen, mit der das Disney-Imperium schätzungsweise fünf Milliarden Dollar aus Sparschweinen und elterlichen Gehaltsabrechnungen melken wird. Episode 8 ist längst in Arbeit, und da es im gewinnmaximierenden „Star Wars“-Universum nur nach Disney geht, wird das Fließband auf „bis auf Weiteres unendlich“ kalibriert. Vier Filme aus diesem Universum bis 2020 sind schon jetzt verbucht. Im All ist noch reichlich Platz.

Previews in der Nacht auf Donnerstag, 0.01 Uhr, in diesen Kinos: Cinemaxx Dammtor, Harburg, Wandsbek, UCI Mundsburg,Othmarschen, Wandsbek, Savoy