Tilman Rakers

Stade

"Ich traue mir die 2. Bundesliga zu", sagt Topscorer und Spielertrainer Nenad Brisevac vom VfL Stade. Doch davon ist der Ausnahmespieler derzeit weit entfernt. Der 31-jährige Basketballer steht mit seinem Team in der 2. Regionalliga am Tabellenende, den Abstieg vor Augen. Kann das einen ehrgeizigen Sportler ausfüllen? Bisher allerdings ist der ehemalige jugoslawische Zweitligaspieler dem Stader Verein immer treu geblieben, seit er aus Kroatien nach Deutschland kam.

Nenad Brisevac erlebte dunkle Kriegstage im zerbrechenden Jugoslawien, bevor er im Dezember 1993 beim heutigen Basketball-Regionalligisten VfL Stade eine neue sportliche Heimat fand. Der Kontakt nach Deutschland entstand über seinen Freund Ronald Petrovic, der seit 1991 beim TSV Lesum-Burgdamm in Bremen spielte. Damals kam Nenad Brisevac als Spieler, heute ist er Coach der Mänenrmannschaft. Außer einem Jahr beim VfL Pinneberg ist er dem Stader Verein seitdem immer treu geblieben. Wie dem Sport: "Basketball ist alles für mich", sagt er.

Brisevac wurde in Rijeka, etwa 150 Kilometer westlich von Zagreb, geboren. Erst mit 16 Jahren begann er mit dem Basketball im Verein. Doch schon zwei Jahre später mit 18 hatte der talentierte Spieler sich einen Platz in der ersten Mannschaft von Kvarner Rijeka, einem jugoslawischen Zweitliga-Team, erkämpft. Dreimal täglich ging es zum Training, einmal mit der A-Jugend und zweimal mit der ersten Herrenmannschaft. Den Sprung habe er nur deshalb so schnell geschafft, "weil ich damals schon wie ein Trainer gedacht habe", sagt Brisevac. Er analysierte das Spiel, arbeitete bewusst gegen seine Schwächen an. "Zum Beispiel zog ich eine ganze Zeit lang nur mit links zum Korb, um meine linke Hand zu trainieren. Oder ich verteidigte nur gegen große Spieler, um im Rebound stärker zu werden." Schnell merkte Brisevac, der am Anfang seiner Laufbahn als hervorragender Schütze glänzte, "dass ich, wenn ich was erreichen wollte, wegen meiner Größe Spielmacher werden musste".

Inspiriert wurde er von Drazen Petrovic, dem vielleicht besten europäischen Basketballer aller Zeiten, der als 28-Jähriger am 7. Juni 1993 bei einem Autounfall tragischerweise ums Leben kam. "Petrovic hatte diese Ausstrahlung, die auch Michael Jordan hat", sagt Nenad Brisevac.

Ob es nach Abschluss dieser Saison, in der der Abstieg der Stader Mannschaft kaum noch zu verhindern ist, zum Abschied zwischen VfL und Trainer kommt, ist noch nicht geklärt. Er sei für Gespräche nach allen Seiten offen, sagt der Spielertrainer. Später einmal würde er gern den Weg seines Freundes Mario Protuder einschlagen, der im Trainerstab bei s.Oliver Würzburg ist. Doch im Moment fühle er sich für einen Trainerjob auf diesem Niveau noch zu jung.

Wichtig sei vor allem die Perspektive nach Abschluss seiner Sportlerkarriere, und da spielt nicht nur der Trainerjob eine Rolle. Schönster Mittelpunkt von Brisevacs Lebens ist seit einiger Zeit Ehefrau Kathrin, die der Basketballer vor beinahe zwei Jahren heiratete. Kathrin Brisevac hat ihren Freundeskreis im Landkreis Stade, arbeitet in Buxtehude als Bauzeichnerin. Schon deshalb würden beide gern in der Gegend bleiben. Nenad Brisevac selbst schließt im Sommer eine Ausbildung zum Tischler ab. Und eigentlich kann ja auch nichts mehr schief gehen. Seinen möglicherweise schwersten Gegentreffer konnte er schließlich verhindern: Einen Korb von Kathrin.