Werner Langmaack

Hamburg

In den nächsten Tagen wird Ronald Wulff einen Umschlag in seinem Briefkasten vorfinden, den er ungeduldig erwartet. Darin befinden sich die Melde-Unterlagen für eine Atlantik-Querung, auf die der leidenschaftliche Segler schon seit einigen Monaten hinarbeitet und -trainiert. Er wird postwendend antworten. Denn Wulffs Planungen sind schon heute weitestgehend abgeschlossen. Auch die Acht-Mann-Crew, mit der er das Abenteuer angehen will, hat er beisammen.

Dabei vergehen noch fast 15 Monate bis zu der Regatta, an deren Ende sich wassersportbegeisterten Hanseaten ein Anblick von seltener Pracht bieten wird. Binnen zehn Tagen werden voraussichtlich über 100 Rennschiffe, Tourenyachten und Hightechboote die Elbe heraufgeschippert kommen, um im Hamburger Hafen zu ankern.

Noch der frühere Bürgermeister Ortwin Runde hatte dem Organisationschef des Spektakels, dem NRV-Präsidenten Gunter Persiehl, zugesagt, für die meistenteils neuen - und nebenbei sündhaft teuren Schiffe - eigens ein Hafenbecken auszubaggern.

Die ankommende Flotte wird einen 3500 Meter langen Törn von New York nach Cuxhaven, Kurs: England steuerbord, hinter sich haben. Die "DaimlerChrysler North Atlantic Challenge" findet statt aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Hamburgischen Vereins Seefahrt in einer Kooperation des Norddeutschen Regatta-Vereins mit dem New York Yacht Club. Exakt am 14. Juni 2003 soll in Sichtweite der Skyline von Manhattan vor Sandy Hook der Startschuss ertönen, dort wo in früheren Jahren das berühmte Feuerschiff lag.

Der HSVer Ronald Wulff freut sich schon heute "tierisch" auf dieses Ereignis: "Das ist eine faszinierende Herausforderung." Dabei ist Wulff kein heuriger Hase. Er machte 1964 seine ersten Segelschläge auf dem Plastikboot seines damaligen Schwiegervaters. Seitdem war er auf allen Weltmeeren unterwegs, überquerte viermal den Atlantik. Die jetzt verlangte Nordroute freilich hat es in sich. "Sie ist schneller, aber auch anstrengender und gefährlicher. Auf Windstärken bis zwölf muss man gefasst sein", erläutert der begeisterte Skipper.

Wulff, der in Hamburg-Hamm ein Dentallabor leitet, segelt zwar mit sportlichem Ehrgeiz, aber ohne Verbissenheit. Er hat immer ein paar Kisten Bier an Bord und: "Vormittags um elf ist Sherry-Time." Unter Deck, dort wo angesichts der Ausstattung selbst der blutige Laie begreift, welch Luxusgegenstand ein solches Schiff ist, dort versammelt sich die sechs bis acht Mann starke Besatzung, um bei einem kleinen Umtrunk den Ausführungen des "Käpt'ns" zu lauschen. "Denn", so Wulffs Maxime, "einer an Bord muss das Sagen haben, sonst gehts drunter und drüber." Im übrigen versuche er durch den einen oder anderen Flachs die Mannschaft bei Laune zu halten.

Diese Methode versagt natürlich, wenn seine 16 Meter lange "Swan 48" in schweres Wetter gerät, wie vor Jahren an der Südspitze Afrikas. "Da haben wir 24 Stunden lang immer nur denselben Leuchtturm gesehen. Wir haben gegen den Orkan gekämpft, dass uns der Schweiß am Körper herunterlief, und die Besatzung hat nur noch herumgekotzt."

In solchen Situationen verfluche man den Tag, an dem man sich aufs Segeln eingelassen habe, "aber wenn die See sich beruhigt, wenn am nächsten Morgen die Sonne aufgeht und man unversehens inmitten einer Horde Blauwale schippert, dann wird man für alles entschädigt. Das ist unbeschreiblich schön".

Cheforganisator Persiehl verspricht den interessierten Hamburgern, er werde schon dafür sorgen, dass sie die verschiedenen Bootstypen nach dem Festmachen besichtigen können. Dann beginnt für die Segler ohnehin die "zweite Schicht": Partys feiern ohne Ende - darin waren sie schon immer groß.

Rund um das Great Ocean Race sind diverse Festlichkeiten geplant: eine "North Atlantic Challenge Party" am Startort, ein Farewell-Dinner, eine First-Ship-Home-Party in Hamburg und eine Abschlussfete. Dazu kommt ein Kulturprogramm. "New York und Hamburg", so heißt es in der Ausschreibungsbroschüre, "werden den ein unvergessliches Erlebnis garantieren."

Auch Ronald Wulff tanzt gern auf Seglerfesten. Aber gleich danach wird es ihn erneut überkommen. "Wenn ich nach wochenlangem Törn endlich wieder zu Hause bin, möchte ich am liebsten sofort wieder los."