Helmut Söring

Hamburg

Bekannt sind Produktionen von 1923 (Stummfilm), 1959 (Zweiteiliger Kinofilm in Schwarz-Weiß), 1965 (TV-Siebenteiler der BBC) und 1979 (elfteilige Fernseh-Serie des Hessischen Rundfunks). Der erste wurde von der Ufa noch an den Originalschauplätzen in Lübeck und in den Tempelhofer Ateliers gedreht. Gerhard Lamprecht war der Regisseur. Hanno, die Schwarzkopfs, Johann Buddenbrook oder Permaneder kamen nicht vor. In den Hauptrollen sind Peter Esser als Thomas Buddenbrook, Alfred Abel (Christian), Mady Christians (Gerda) und Ralph Arthur Roberts als Bendix Grünlich überliefert. Der Film hatte am 31. August 1923 im Berliner Tauentzienpalast Premiere. Thomas Manns Urteil war vernichtend: "Eine verunglückte Angelegenheit."

Ähnliches drohte auch dem Alfred-Weidenmann-Zweiteiler von 1959. Zu viel war vorausgegangen: Schon 1949 hätte der Nobelpreisträger am liebsten eine gesamtdeutsche Verfilmung seines Buchs gesehen, aber die politischen Verhältnisse waren nun einmal nicht so. Die Defa in Babelsberg wollte, Mann-Verleger Gottfried Bermann-Fischer wollte nicht. Und nachdem gar Adenauers Bonner Regierung schwerste Bedenken geäußert hatte, notierte - missverständlich - der Nobelpreisträger noch kurz vor seinem Tod: "Der Kalte Krieg in Gefahr - im Großen wie im Kleinen durch die west-östliche Filmproduktion von ,Buddenbrooks'."

Als Regisseur war Harald Braun vorgesehen, Mann-Tochter Erika hatte einen Beratervertrag für das Drehbuch mit dem Recht auf aktuelle Änderungen. Damit waren die Auswirkungen programmiert. Zuerst lehnte Erika das Drehbuch des Regisseurs sowie seines Co-Autors Jacob Geis ab. Dann wurde Braun krank und musste die Regie abgeben. Man fragte Rolf Thiele, Kurt Hoffmann, Franz Peter Wirth, Josef von Baky, Wolfgang Staudte, Helmut Käutner und Wolfgang Liebeneiner. Keiner hatte so kurzfristig Zeit. Nur Alfred Weidenmann. Zwar hatte der bei der Ufa in der Nazi-Zeit "Soldaten von Morgen" gedreht, das fiel aber seltsamerweise bei einer radikalen Antifaschistin wie Erika Mann nicht ins Gewicht. Ihr Urteil stand, nachdem die Produktion gestartet war ( man drehte in Koppel/Trebitschs Realfilmstudio in Hamburg sowie in Lübeck und Travemünde), fest: "Er ist absolut ungeeignet." Der wahrscheinliche Grund: Profi Weidenmann hatte unter dem ungeheuren Zeitdruck, in den die Produktion durch Brauns Ausfall geraten war, nicht gebührend genug auf die immer neuen Vorschläge der "Kronprinzessin" Erika gehört.

Der Film wurde am 11. November 1959 in der Lübecker Stadthalle uraufgeführt. Versehen mit dem von der schließlich ausgeschiedenen Erika durchgesetzten Untertitel "Frei nach dem Roman von Thomas Mann", waren die beiden 99 und 106 Minuten langen Teile wesentlich dichter am Original als der erste Film - eine echte Literaturverfilmung, wenn auch mitunter im allzu rührseligen Stil jener Zeit.

Allerdings war er erstklassig besetzt: Werner Hinz (Johann), Lil Dagover (Elisabeth), Liselotte Pulver (Tony), Hansjörg Felmy (Thomas), Nadja Tiller (Gerda), Hanns Lothar (Christian), Helga Feddersen (Klothilde) bis zu Gustav Knuth (Schwarzkopf), Robert Graf (Grünlich), Joseph Offenbach (Kesselmeyer), Walter Sedlmayr (Permaneder) und Wolfgang Wahl, Rudolf Platte, Paul Hartmann und Günter Lüders in Nebenrollen, die zu Kabinettstückchen wurden.

Das ehrgeizigste Unternehmen, die TV-Serie, hatte 1979 Premiere. Nach dem ersten Teil, ausgestrahlt am 15. September, folgten zehn je einstündige Fortsetzungen in wöchentlichen Abständen. Diesmal war Golo für die Rechte zuständig. Seine Schwester Erika war zehn Jahre zuvor gestorben. In dieser Hinsicht gab es keine Probleme, wohl aber mit den bescheidenen finanziellen Mitteln des Hessischen Rundfunks.

Alles uferte aus. Zunächst auf 300 Sendeminuten veranschlagt, kam man auf 450 Minuten, dann stieg der vorgesehene Regisseur Tom Toelle aus. Franz Peter Wirth übernahm. Weil die wieder aufgebaute Lübecker Altstadt - bis auf das Buddenbrookhaus - als Filmkulisse kaum noch geeignet war, zog der ganze Tross zu Dreharbeiten nach Danzig, Warschau, Olsztyn (Allenstein), Lodz und Sylt, nach Schwetzingen, Wiesbaden, an den Schönberger Strand bei Kiel und auch in die Mengstraße 4 zu Lübeck.

Tony (Reinhild Solf), Thomas (Volker Kraeft) und Christian (Gerd Böckmann) wurden ihrem Alter entsprechend gleich dreimal besetzt, bei den alten Buddenbrooks überzeugten Carl Raddatz als Johann sen., Martin Benrath als dessen Sohn und Ruth Leuwerik als Elisabeth. Gerda war Noelle Chatelet, Schwarzkopf Rolf Boysen, Grünlich Michael Degen. Und Regine Lutz war Sesemi Weichbrodt. Hans Caninberg führte als Erzähler durch diesen 12,5 Millionen Mark teuren TV-Verfall einer Familie. Beteiligt waren 130 Schauspieler, 1000 Komparsen und ein Produktionsteam von 80 Mitarbeitern.

Der Luwigshafener "Rheinpfalz" zum Trotz ("Teuerstes Schlafmittel der Geschichte des Deutschen Fernsehens") wie auch dem "Spiegel" ("Strapaziöser Marathon") oder der "Neuen Revue" ("Elf Stunden Langeweile") - die am 23. Dezember beendete Serie wurde ein Erfolg. Die Einschaltquote steigerte sich auf beinahe 50 Prozent (damals mehr als 15 Millionen Zuschauer). Sie wurde in 14 Länder verkauft und verdrängte in den USA selbst "Dallas" von den Spitzenplätzen in der Publikumsgunst.

Der Fischer-Verlag legte zur TV-Serie eine gebundene Sonderausgabe auf - mit gigantischem Ergebnis: Innerhalb von sechs Wochen wurden 100 000 Exemplare verkauft, hinzu kamen weitere 150 000 Taschenbuch-Ausgaben. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die vor 100 Jahren herausgekommene Erstauflage der "Buddenbrooks" ein ganzes Jahr brauchte, bis die 1000 Bände - mehr waren es nicht - verkauft waren.

Aber auch das Hamburger Abendblatt konnte einen Rekord vermelden. Es begleitete die TV-Ausstrahlung seinerzeit in einer Serie von Günther Wolf "Die Welt der Buddenbrooks" mit täglich einer Sonderseite, ganze 65 Tage lang. Bernt Rothert, Wirths Co-Autor beim "Buddenbrooks"-Drehbuch, gratulierte damals unserer Zeitung: "Ich bedaure, dieses Material nicht früher zur Hand gehabt zu haben."

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