Die Adresse, Alsterufer 27/28, verrät wenig, die Fassade sagt alles: Im "Kleinen Weißen Haus" an der Außenalster wird heute nicht nur der Unabhängigkeitstag der Vereinigten Staaten von Amerika gefeiert und der Abschied von Generalkonsul Christopher F. Lynch beklagt, sondern auch ein Goldjubiläum begangen: Vor 50 Jahren eröffneten die USA in den Zwillingsvillen des Hamburger Architekten Martin Haller ihr Generalkonsulat.

Die konsularischen Beziehungen zwischen der Hansestadt und der späteren Weltmacht allerdings reichen zurück bis ins Jahr 1790, die Handelsverbindungen bis ins frühe 17. Jahrhundert.

"Kleines Weißes Haus" - für viele war und bleibt es eine Schatzkammer der Erinnerungen und Emotionen:

"Das Haus ist wunderschön, ich würde es am liebsten allen meinen Kollegen wünschen!", sagt der amtierende Generalkonsul Christopher F. Lynch. "Es ist zweifellos eines der besten zehn Häuser der US-Regierung in der ganzen Welt."

US-Generalkonsul E. Tomlin Bailey kämpfte mit den Tränen, als am Abend des 25. November 1963 mehr als 80 000 Menschen schweigend an dem weißen Dienstgebäude vorbeizogen, auf dessen Dach die US-Fahne halbmast gesetzt war: Die Hamburger gedachten des US-Präsidenten John F. Kennedy, der kurz zuvor ermordet worden war.

Generalkonsul a. D. John Brogan, der heute in Hamburg im Ruhestand lebt, denkt an den 4. Juli 1976, als der 200. Geburtstag seines Heimatlandes gefeiert wurde: "Rund um die Alster wehten zahllose US-Fahnen. Und als in der Staatsoper der Dirigent den Taktstock zum Beginn des ,Nussknackers' erhob, ertönte plötzlich statt Tschaikowskys Musik der Sound von ,Stars And Stripes Forever'. Ich sprang auf und legte die Hand auf mein Herz. Ich werde diesen Augenblick niemals vergessen."

Die Regierung der USA hatte die beiden Nachbarvillen, die Martin Haller 1882/83 für die Hamburger Kaufleute G. Michaelsen und Julius Ree gebaut hatte, im April 1950 gekauft. An der Eröffnungsfeier im August 1951 nahmen 750 Gäste teil. Beide Häuser wurden umgebaut und miteinander "verschmolzen", und der repräsentative Regierungsbau erhielt im typischen "White House Look" den von vier klassischen Säulen gestützten Balkon, auf dem alljährlich die Lichter eines Weihnachtsbaumes als traditioneller Gruß von Amerika nach Hamburg glitzern.

Die ersten amerikanischen Hausherren waren von besonderer Art: Fast alle hatten beim Militär gedient, interessierten sich daher mehr für Politik als für Geschäfte und lenkten ihren Stab mit eiserner Hand. Einer der frühen Generalkonsuln führte das Haus wie ein militärisches Lager. Es gab sogar Ausgangssperren.

1955 entdeckten Bauarbeiter sechs Betonsockel, die mit 30-Kilo-Sprengladungen sowie Uhrwerks- und Fernzündern gespickt waren, und den Amerikanern wurde klar, dass sie jahrelang auf einem Pulverfass gelebt hatten. Die Sprengladungen waren eine Hinterlassenschaft der Nazis, deren Gauleitung bis Kriegsende in dem Haller-Bau stationiert war. Aber weder Sprengstoff noch die Wassermassen der Sturmflut von 1962 konnten verhindern, dass das Weiße Haus an der Alster zu einem Symbol für Weltläufigkeit und deutsch-amerikanische Freundschaft wurde. US-Präsident Dwight D. Eisenhower, Henry Kissinger, Hollywoodstar Clint Eastwood, Bundeskanzler, Minister und Bestseller-Autoren gingen ein und aus. Als 53. Leiterin des US-Konsulats in Hamburg wird Susan Elbow aus Albany Ende August ihren Dienst antreten. Sie war schon in Frankfurt, El Salvador und Budapest tätig und arbeitet zurzeit im Operation Center des State Departments in Washington. Nach Elizabeth Bollman (1991 bis 1994) ist sie der zweite weibliche US-Generalkonsul in Hamburg.

GÜNTER STILLER