Von BJÖRN JENSEN

Vor den Prüfungen war sie ganz ruhig. "Mir ging es so lange gut, bis ich im Auto saß. Dann begann das große Zittern", beschreibt Aylin (Name geändert) ihr Problem. Fünfmal musste sie zittern, dann hatte die junge Frau ihren Führerschein endlich geschafft - nach mehr als 100 Fahrstunden. "Viermal durchzufallen, das ist mir heute noch peinlich", sagt sie. So peinlich, dass die Schülerin ihren richtigen Namen nicht veröffentlichen lassen möchte.

Aylin ist in Hamburg kein Einzelfall. 42,3 Prozent der Fahrschüler fielen im vergangenen Jahr durch ihre praktische Prüfung. Damit weist Hamburg den höchsten Wert aller Bundesländer auf. Rechnet man Theorie und Praxis zusammen, sind es noch immer 36,5 Prozent Durchfaller (Platz 7). Dabei liegt die durchschnittliche Ausbildungszeit in Hamburg bei 40 Fahrstunden. Können die Hamburger nicht Auto fahren?

Ein Grund für die hohen Durchfall-Quoten ist die Verkehrslage in der Stadt. Gordana Stojadinovic, Inhaberin der Fahrschule Weidenberg (Hoheluft): "Baustellen, mehrspurige Straßen, zu viele Autos, das alles führt zu Situationen, die die Fahrschüler nicht mehr kontrollieren können. Dazu kommt das teilweise rüpelhafte Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer." Das trifft jedoch auch auf andere Großstädte zu, deren Quoten (Berlin 35,6 Prozent) oft besser sind. Dazu Hans-Detlef Engel, Präsident des Hamburger Fahrlehrer-Verbandes: "In die Statistiken anderer Bundesländer fließen Zahlen aus ländlichen Gebieten ein, die man mit Hamburg nicht vergleichen kann."

Friedhelm Jung, fachlicher Leiter der AVUS, einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, hat einen weiteren wichtigen Grund ausgemacht. "Die Jugendlichen sind nicht belastbar. Sie können sich nur mangelhaft konzentrieren und leiden an Selbstüberschätzung und Überheblichkeit", so der Diplom-Psychologe. Tatsachen, die der Fahrlehrer-Verband nicht dementiert. Engel: "Dazu kommt, dass wir in Hamburg viele Ausländer haben. Die können zwar die Theorie-Prüfung in ihrer Muttersprache ablegen, aber in der Praxis wird Deutsch gesprochen. Da gibts dann Probleme."

Der zunehmende Wettbewerb ist ein weiteres Übel, unter dem die Ausbildung leidet. "Viele Fahrschüler kommen mit der Voraussetzung, so schnell und billig wie möglich den Führerschein zu machen. Wenn das nicht klappt, sind sie schnell bei der Konkurrenz", so Engel. Diese Konkurrenz seien Anbieter von Schnellkursen, die auf Qualität der Ausbildung nicht achteten. "Wenn die Schüler dann durch die Prüfung rasseln, merken sie, dass die schnelle Ausbildung nicht immer die beste ist." Sein Tipp: Schnupperstunden in Fahrschulen belegen, erst danach auswählen.

In eine ganz andere Richtung geht die Problem-Analyse von Andreas Kape, der in der Innenstadt seine Fahrschule betreibt. "In Hamburg ist der Anspruch der Prüfer zu hoch. Nur hier gibt es mit der Technischen Prüfstelle einen Monopolisten. Die Prüfer wissen, dass man sie braucht, spielen deshalb ihre Macht gerne aus." Ein Punkt, den Engel so nicht gelten lässt. "Sicherlich gibt es schwarze Schafe unter den Prüfern. Aber das ist eine Minderheit. Ein Wettbewerb unter den Prüfstellen ginge zu Lasten der Ausbildungs-Qualität, und das wollen wir nicht." Das sieht Kape ähnlich: "Es ist gut, dass die Anforderungen so hoch sind. Schließlich sollen die Fahrschüler die Verkehrsreife erwerben."

Genau das scheint in Hamburg zu klappen. "Hamburg ist eine der sichersten Metropolen Europas im Bereich Straßenverkehr, die Rate der Auffälligkeiten junger Fahrer ist niedrig", so Engel. Aylin kann dem rückblickend nur zustimmen. "Auch wenn es lange gedauert hat, ich fühle mich wenigstens gut ausgebildet."