Auf ihren Soloalben “Searching For The Jan Soul Rebels“ und “Minidisco“ holen die Hamburger Rapper Jan Delay und Denyo 77 zum Schlag gegen ignorante Fans und dumpfe Nazis aus.

Von HEINRICH OEHMSEN

In dem Video für "Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt" hat Jan Delay sich unter die Karnevalisten in Köln gemischt - vermummt mit Palästinensertuch und schwarzer Pudelmütze und einem Plastikgewehr im Anschlag. Der Popstar als Narr im Rebellen-Outfit.

Innerhalb des Rosenmontagsumzuges ist seine Verkleidung keine Provokation, denn an den tollen Tagen an Rhein und Ruhr ist alles erlaubt, die Texte auf seinem Soloalbum "Searching For The Jan Soul Rebels" sind da schon von anderem Kaliber. Jan Delay, bekannter als Jan Eißfeldt, ist erwachsen geworden - ebenso wie sein Kumpel Dennis alias Denyo 77.

Die beiden Rapper der Hamburger HipHop-Formation "Absolute Beginner" haben gerade zeitgleich ihre Soloalben veröffentlicht und ausgeholt zum Schlag gegen ignorante Fans, dumpfe Rechtsradikale und Träger von Buffaloschuhen. Sie äußern sich kritisch zu Deutschland, beschwören den Flashgott, warnen vor der globalen Vergiftung.

Von einem politischen Album will zumindest Denyo nichts wissen: "Dazu fehlt das Ziel. Jede Utopie ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Also bleibt mir nur Kritik." Die beiden Rapper und Produzenten aus Eimsbush, was im Idiom der HipHop-Sprache besser klingt als Eimsbüttel, haben Rap und Reggae in Deutschland mit diesen Alben in eine neue Dimension katapultiert - und das, nachdem ihrer Band "Absolute Beginner" künstlerischer Ausverkauf und Kommerzialisierung vorgeworfen wurde. Der Erfolg ihrer Single "Liebeslied" und des folgenden Albums "Bambule" war weniger erfolgreichen Kollegen wohl ein Dorn im Auge.

Noch schlimmer war die Reaktion auf Jan Delays als Reggae gecoverte Version von Nenas "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" und dem dazu gehörigen Bikinimädchen-Video. Als "Schwuchtelmusik" urteilte die HipHop-Fraktion, die sich gerne ganz hart gibt und an US-Hardcore-Vorbildern orientiert, den Song ab.

"Nach der medialen Omnipräsenz der ,Beginner' habe ich darüber nachgedacht, was passiert ist. Eigentlich wollte ich nur eine EP mit vier Stücken machen. Dann kam ich in einen Flow und merkte, dass ich eine Menge zu sagen hatte. Und nach einem Jahr Arbeit hatte ich ein komplettes Album", beschreibt Denyo die Entstehung von "Minidisco".

Noch mehr war sein Freund und Kollege Eißfeldt dem Poprummel nach "Irgendwie . . ." ausgesetzt. "Ich habe nie damit gerechnet, dass so viele Leute dieses Lied auf einmal mitsingen. Die Idee, ein Reggae-Album auf Deutsch zu machen, habe ich schon seit 1997. Aber nach dem Wirbel musste ich so viele Bremsen wie möglich einbauen." Die direkte Reaktion auf den Erfolg (die Single verkaufte mehr als 750 000 Exemplare) war der Song "Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt", in dem Jan Delay sich von falschen Fans distanziert:

"Ihr wählt doch sonst auch immer das Falsche, wenn ihr die Wahl habt. Ihr steht doch sonst auch immer auf sauber, ordentlich und aalglatt! . . . In den ganzen verstrahlten Gehirnen wäre ich gerne abhanden ", singt Jan Delay. Das Dilemma an diesem Song jedoch ist, dass viele von denen, die der 25 Jahre alte Musiker nicht als Fans haben will, die Platte dennoch kaufen werden, weil der Song mit seinen perfekten Bläserriffs einfach ein Ohrwurm ist.

Mit "Sunshine Reggae" und Bacardi-Werbung hat Jan Delays Reggae-Album allerdings so viel zu tun wie Grönland mit Sommerurlaub. Um die totale Vereinnahmung im Popgeschäft zu bremsen, hat er nur wenige Interviews gegeben, das Album erscheint auf dem unabhängigen Buback-Label und wird von der kleinen Kölner Firma Groove Attack vertrieben. "Ich will nicht für einen Reggae-Boom verantwortlich sein, der nicht kontrollierbar ist und der sich ähnlich ungesund entwickelt wie das, was gerade in der HipHop-Szene abgeht."

Kritisch gehen Delay und Denyo mit Deutschland ins Gericht: "Ich scheiß auf deine Wertarbeit, in Wahrheit heißt dein Ehrgeiz Neid", singt Denyo in "Deutschland". "Zu viel Deutschland ist ungesund", heißt es bei Delay. Auch der grassierende Rechtsradikalismus wird bei beiden zum Thema. In "www.hitler.de" reimt Delay: "Er ist mobil, er ist online, er ist allgegenwärtig. Und die Anzahl seiner hirnlosen Jünger vermehrt sich gefährlich."

Denyo geht noch einen Schritt weiter, indem er selbst in die Rolle eines Neonazis schlüpft und in HipHop-Manier ein Wortgefecht mit einem "Itaker" führt. Hier wird keine Aussage gemacht, die der Zuhörer mit einem "Ja, da bin ich auch gegen" schnell abtun kann - er muss sich das Stück bis zum Ende anhören und über jeden rassistischen Satz nachdenken, den der Nazi seinem Gegner entgegenschleudert.

In seiner Absetzbewegung von herkömmlichen Popstrategien denkt Jan Delay gerade über seine zweite Single nach. In der engeren Wahl ist der Song "Vergiftet", ein weiterer Ohrwurm von "Searching For The Jan Soul Rebels" mit dem Zeug zum Sommerhit des Jahres. Eine Idee für die optische Umsetzung des Textes hat Jan Delay auch schon: "Ich liege bei Wal-Mart in einem Berg von ekligem Schinkenspeck."

Denyo 77: Minidisco (Buback/Motor Music). Live beim Flash 2001, 16. 6., Millerntorstadion

Jan Delay & Sam Ragga Band: Searching For The Jan Soul Rebels (Buback/Groove Attack). Live beim Hurricane-Festival in Scheeßel, 23.6.

"Eigentlich wollte ich nur eine EP mit vier Stücken machen. Dann kam ich in einen Flow und merkte, dass ich eine Menge zu sagen hatte." Denyo