Von KLAUS-CHRISTIAN

SCHULZE-SCHLICHTEGROLL

"Hamburg 75, Jungs war das gemütlich. Da schien noch ein richtiger Mond in der Nacht, die Musik haben wir noch mit der Hand gemacht. So was gibt es heute nicht mehr. Ist verdammt lange her."

Diese Hymne der "Hamburger Szene, getextet von Hans Scheibner und komponiert von Lorenz Westphal, besser als "Lonzo der Teufelsgeiger" bekannt, gehörte zu den Höhepunkten einer Onkel-Pö-Session im Karstadt-Kultur-Café an der Hamburger Straße, die Erinnerungen an die berühmte Musikkneipe in Eppendorf weckten.

Tosender Beifall nach einem begeisternden Abend für die Urgesteine der Onkel-Pö-Ära Peter Petrel, Vince Weber, Abi Wallenstein, Henry Heggen, Rainer Regel, Ulrich Meletschus und die kompletten "Leinemänner". Was kaum einer zu hoffen glaubte: Auch Lonzo steht mit seiner Geige auf der Bühne - zum ersten Mal nach 16 Jahren. Zusammengenommen haben sich 622 Jahre auf der Bühne versammelt.

Ganz so "gemütlich", wie der Liedtext es vermitteln will, war es damals aber wohl doch nicht. Die meisten Musiker hatten früher oder später unweigerlich ein Alkoholproblem. Im Onkel Pö floss das Bier in Strömen. "Kampftrinken" war angesagt. Lorenz Westphal ist einer, der alle Höhen und Tiefen mitgemacht hat. Er weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: "Das Elend ist ein Teufelskreis. Irgendwann geht nichts mehr ohne. Todesangst kommt auf, und alles geht den Bach runter. Aber nach drei Tagen ist alles vergessen und beginnt von neuem."

Der Vollblutmusiker ist seit fast acht Jahren trocken und bis heute ein viel gefragter Produzent, Arrangeur und Komponist für Filmmusiken, Fernsehprogramm-Titelmelodien und Jingles. "Die Geige habe ich damals nur rausgeholt, um bei den Weibern anzugeben."

Zur Flasche hätten viele wegen der ständigen Auftrittsangst gegriffen. Jeden Abend musste man alles geben. Drogen habe er nur in ganz jungen Jahren zur Jimi-Hendrix-Zeit genommen. "Die Droge, die ich als solche nicht gesehen habe, war der Alkohol. Leider gehörte ich zu den Kandidaten, die fürchterlich viel vertragen konnten."

Vielsagend: "Die Dinosaurier werden immer trauriger" war die letzte Platte, die Westphal 1980 aufnahm. Bühnenauftritte gab es anschließend nur noch sporadisch. Die Teufelsgeiger-Karriere war beendet.

Im selben Jahr verunglückte er auf Samos. "Ich saß hinten mit ein paar Leuten in einem Jeep und spielte ,Blowing in the Wind' auf der Gitarre, als das Fahrzeug einen Berg herunterschoss."

Wochenlang lag er mit Knochenbrüchen in der Endoklinik, und jeder, der ihn besuchte, brachte zum Trost Alkohol mit. "Mein Nachtschrank war voll mit Schnaps. Das war heavy."

Später folgten mehrere Zusammenbrüche. Westphal: "Es fing an einer Tankstelle an. Plötzlich hatte ich einen Flachmann in der Hand. Wusste nicht, woher. Blackout! Das ging ziemlich schief. Zur Entgiftung kam ich auf den letzten Drücker. Nach der anschließenden Therapie und Gesprächen mit den Anonymen Alkoholikern war ich trocken. Ich weiß nicht wieso, aber es ist so. Ich bin stolz darauf, es ist ganz wichtig, dass ich der Trockene bin. Diese Einstellung konnte ich für mich gewinnen."

Stolz schauen seine Töchter Kira (15) und Larissa (13) auf die Bühne im Karstadt-Kultur-Café. Nie zuvor haben sie ihren Vater so Geige spielen sehen. Die Anstrengung ist ihm ebenso anzusehen wie die Freude, es geschafft zu haben.

Ein Lonzo-Comeback soll es nicht geben, aber hin und wieder will Lorenz Westphal das "Streichholz" wieder zusammen mit Gottfried Böttger und Leinemann in die Hand nehmen.