Das ewige Gerede vom Filz, das solle man doch bitte nicht übertreiben, findet Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz. Es fehle ja bloß noch, dass man Bezirksamtsleitern, Senatoren oder gar dem Bürgermeister vorwerfe, in der Partei zu sein. Und überhaupt: "Im Vergleich mit Bayern" sei das mit dem Filz "in Hamburg eine vernachlässigenswerte Größe". Das sieht die Opposition naturgemäß anders.

"Die Sozialdemokraten führen sich auf wie Feudalherren", findet Norbert Hackbusch von Regenbogen. Zusammen mit der CDU fordert er die Einsetzung eines Sonderermittlers in der "Brötchen-Affäre" um den "Verein zur Betreuung von Arbeitslosen", dessen Vorsitzender DGB-Chef Erhard Pumm (SPD) ist. Pumm könne nicht wie ein Vater alles persönlich regeln, so Hackbusch. "Das erinnert an die Idee vom guten König. Wir haben aber keine Monarchie mehr."

Die FDP hat das Thema in den Bundestag befördert und am Mittwoch Arbeitsminister Walter Riester befragt. Die CDU will nun sogar den Parteispenden-Untersuchungsausschuss damit befassen - in dem durchsichtigen Versuch, die ABM-Affäre auf das Niveau ihrer Schwarzgeld-Millionen zu ziehen. Und kommenden Mittwoch muss sich Sozialsenatorin Karin Roth wegen der Affäre in der Bürgerschaft mit einem Rücktrittsantrag der CDU herumschlagen.

Die ungeheure Wirkung, die die Affäre entfaltet, hat mit zwei Dingen zu tun: Zum einen ist Wahlkampf, und Filz ist ein Lieblingsthema von Parteien, die seit Jahrzehnten auf der Oppositionsbank sitzen. Zum anderen trifft der Fall die von der SPD dominierte politische Elite der Stadt an einem wunden Punkt.

Denn es geht in Wahrheit nicht um ein paar Brötchen, ein paar Anti-Kohl-Plakate oder ein paar Zehntausend Mark, die falsch eingesetzt wurden. Es geht darum, dass der in seinen finanziellen Dimensionen bisher eher mickerige Fall exemplarisch dafür stehen könnte, dass in Hamburg "Kontroll- und Korrekturmechanismen nicht mehr funktionieren", wie es der Politikwissenschaftler Michael Greven konstatiert. Das hängt auch mit der Vielfachrolle des Vereinschefs Pumm zusammen.

Der führt den DGB, sitzt für die SPD in der Bürgerschaft - und entscheidet im Arbeitsamts-Verwaltungsausschuss über die Vergabe von ABM-Millionen, von denen auch sein Verein profitiert. Den Vereinsgeschäftsführer Helmuth Diekwisch berief Pumm in den Ausschuss, der sich um ABM kümmert. Sprich: Pumm und Diekwisch kontrollierten sich selbst.

Auch bei der Besetzung des Direktorenpostens im Arbeitsamt hat Pumm über den Verwaltungsausschuss ein Wörtchen mitzureden - wie Behörden-Amtsleiter Uwe Riez (SPD), der im Verwaltungsausschuss des Landesarbeitsamtes sitzt. Da bekommt es einen merkwürdigen Beigeschmack, dass es der frisch berufene Arbeitsamtdirektor Rolf Steil (SPD) persönlich war, der die Rückforderung an Pumms Verein von etwa 100 000 Mark auf 35 000 Mark herunterrechnen ließ. "Wir konnten die zunächst berechnete Forderung in dieser Höhe nicht belegen", sagt Steil heute.

Aber auch fernab von Spekulationen über Interessenkollisionen: Allein die Liste der Sozialdemokraten auf Toppositionen in Verwaltung und städtischen Unternehmen liefert Stoff genug für Wahlkampfbroschüren der Opposition. Oder, um es mit den Worten des gestandenen Sozialdemokraten Freimut Duve zu sagen: Sie zeigt, dass Regierungsparteien bisweilen auch als Arbeitsamt für ihre Mitglieder fungieren.

Die früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Hartmann, Günter Elste und Paul Busse sind heute Chefs bei Hein Gas, Hochbahn und Hamburg Messe. SPD-Mitglieder sind nicht nur die Präsidenten von Oberlandesgericht, Amtsgericht und Finanzgericht, sondern auch 14 der 15 Ortsamtsleiter. Extrem durchsetzungsfähig im Beruf waren auch ehemalige Funktionsträger der SPD Nord: Peter Dietrich ist HHLA-Chef, Wolfgang Pages Geschäftsführer der Friedhöfe, Ralph Bornhöft leitet das Einwohnerzentralamt und Heinz Lohmann den Landesbetrieb Krankenhäuser. Uwe Riez ist Amtsleiter der Sozialbehörde und beaufsichtigt dort seinen Nordgenossen Detlef Scheele, der ihm als Chef des Beschäftigungsträgers Hamburger Arbeit nachfolgte. Ex-Polizeipräsident Dieter Heering (SPD) wurde nach seiner Abberufung Geschäftsführer bei Nord-West-Lotto. Und Michael Sachs, früher SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und Mitglied des SPD-Vorstands, ist heute Chef des städtischen Wohnungsbauunternehmens GWG. Politologe Greven attestiert der Hamburger SPD denn auch "Ämterpatronage".

Olaf Scholz betont zwar, dass die Parteien auch die Aufgabe hätten, gesellschaftliches Führungspersonal heranzuziehen. Angesichts solcher Listen wird aber auch dem SPD-Parteichef mulmig. "Sicher hat es nicht immer nur richtige Entscheidungen gegeben. Etwas anderes anzunehmen, wäre lebensfremd", gesteht Scholz. "Viele der Genannten leisten aber anerkannt gute Arbeit. Und in Zukunft werden Stellenbesetzungen noch transparenter - und es wird noch mehr Wettbewerb geben."