Kiel - "Wer hat denn hier den Wind abgedreht?" Grau und flau begrüßt der Sonnabend die Segler zum Start der Aalregatta, dem Auftakt der Kieler Woche für die Seesegler. Der Wetterbericht hatte Besseres versprochen. Mehr als 200 Yachten zwischen acht und 22 Metern Länge tummeln sich vor der Hafenmole in Kiel-Düsternbrook. Berührungsängste sind hier fehl am Platz - geordnetes Ausweichen ist angesagt. Die Aalregatta führt über etwa 25 Seemeilen von Kiel nach Eckernförde und hat ihren Namen von den Räucheraalen, die jeder Crew bei Ankunft in Eckernförde gereicht werden.

"Nur noch zehn Minuten bis zum Start", Skipper Jens Kiessling schaut hektisch auf die Uhr. "Wo bleibt Addi?" Der Vorschiffsmann reist aus England an und sollte eigentlich schon lange da sein! Die erste Gruppe ist bereits gestartet - und der Mann für die Arbeit am Bug ist noch nicht aufgetaucht. Es wird verdammt eng. Aber das Glück ist auf unserer Seite, und zwei große Fähren laufen pünktlich vor dem zweiten Start in die Innenförde ein - der Wettfahrtleitung bleibt nichts anderes übrig, als die zweite Gruppe etwas verspätet zu starten, um ein Chaos in der Fahrrinne zu vermeiden. Buchstäblich in letzter Sekunde springt der fehlende Mann an Bord, und es kann doch noch vollzählig gestartet werden.

"Spinnaker hoch, Genua runter!", Jens gibt kurz nach dem Start die Order zum Setzen des großen Vorwindsegels. Mastmann Stefan wirft sich ins Zeug, und die bunte Blase wird gesetzt. Zaghaft füllt sie sich mit Wind. Nicht mal zwei Windstärken aus West-Nord-West schieben uns extrem langsam aus der Förde zur Tonne Kleverberg-Ost.

Der Hamburger Immobilienmakler Jens Kiessling hat seine Swan46 vor vier Jahren gekauft und segelt regelmäßig die größeren Regatten der Nord- und Ostsee mit. Die "Gundel G." wird heute mit 13-köpfiger Crew gesegelt - etwas überbesetzt bei dem wenigen Wind, und so ist die leichtere Konkurrenz auch schon kurz nach dem Start ein paar Bootslängen voraus. Heute sind die Spinnaker-Trimmer gefragt. Bis auf eine kleine Kreuz ist das große, bunte Tuch den ganzen Kurs über oben, da der Wind im Verlauf der Wettfahrt auf Nordost dreht. Dieser Kurs erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit von Rudergänger und Trimmer, um das bisschen Wind effektiv zu nutzen - und der Rest der Crew wird in die starre Arbeitslosigkeit geschickt.

Die Aalregatta ist an diesem Tag die einzige Wettfahrt, die überhaupt gewertet werden kann. Alle Jollensegler in Schilksee verbringenen wartend einen regattalosen Tag auf See, nur um am Nachmittag wieder unverrichteter Dinge in den Hafen geschleppt zu werden. Für die "Gundel G." reicht es am Ende nur zu einem zwölften Platz. Sieger der Startgruppe (IMS1 Green) wurde Ex-Arbeitgeber-Präsident Klaus Murmann, mit seiner "Uca", dem größten Schiff im Feld (22 Meter).

Große Namen sind in der Starterliste der Yachten zur Kieler Woche sonst kaum zu finden - die deutsche Hochseesegelszene krankt etwas an mangelndem Engagement und droht langsam eine Liga tiefer zu rutschen. Eigner, die sich in den vergangenen Jahren finanziell stark engagierten, wie beispielsweise der Hamburger Thomas Friese haben sich mittlerweile aus der Szene zurückgezogen. Auch das Illbruck-Unternehmen mit der "Pinta" greift jetzt in einer anderen Welt nach seglerischen Lorbeeren und engagiert sich im Volvo Ocean Race.

Selbst "Rubin"-Eigner Hans-Otto Schümann (Hamburg) ließ sein Schiff ins Mittelmeer bringen um sich dort der höher einzustufenden Konkurrenz zu stellen.

Spannend ist in dieser Saison der Kampf der neuen IMX40 Yachten, von denen in Kiel sieben am Start sind. So segelt der Hamburger Rainer Wolff eine IMX40 und wurde damit Deutscher Meister 2001 in der Klasse IMS 1. Die Aalregatta gewann allerdings Dirk Neukirchen aus Düsseldorf mit der "Lot Jonn".

Die Dickschiffe segeln noch bis zum kommenden Sonntag vor Kiel und bereiten sich damit auch auf die EM in Schweden vor.