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Neue Filz-Vorwürfe gegen die Sozialbehörde und die Hamburger SPD: Ein von SPD-Funktionären und Gewerkschaftern gegründeter Arbeitslosen-Verein hat mit Steuergeldern widerrechtlich politische Arbeit für SPD und DGB gemacht. Der "Verein zur Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitslosenselbsthilfegruppen" muss deswegen umgehend 31 000 Mark an das Arbeitsamt zurückzahlen - wegen "nichtförderungswürdiger Tätigkeit von ABM-Kräften". Das Arbeitsamt prüft zudem eine Strafanzeige wegen Subventionsbetruges und Sozialmissbrauchs gegen den Verein. Das bestätigte Arbeitsamtdirektor Rolf Steil dem Abendblatt. Vorsitzender des in die Kritik geratenen Vereins ist der Hamburger DGB-Chef und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Erhard Pumm.

Hintergrund des Falls: Die beim Verein angestellten etwa 20 ABM-Kräfte wurden mit Steuergeld aus der Sozialbehörde und mit Geld des Arbeitsamtes bezahlt - ihre eigentliche Aufgabe war die Beratung von Arbeitslosen und die Unterhaltung eines Arbeitslosen-Treffs. Tatsächlich machten viele Mitarbeiter aber vor allem im Wahlkampf 1998 politische Propaganda für DGB und SPD - auf Druck ihrer Vereinsgeschäftsführung. Das haben ehemalige Mitarbeiter dem Abendblatt bestätigt. Der Verein, dessen Räume im DGB-Haus liegen, hat sich jetzt bereit erklärt, die 31 000 Mark zu erstatten.

Nach Aussage ehemaliger Mitarbeiter mussten die ABM-Kräfte während der Arbeitszeit Plakate gegen die Kohl-Regierung kleben, es wurden Flugblätter hergestellt und verteilt, in denen zu SPD und DGB-Veranstaltungen eingeladen wurde. Außerdem organisierte der Verein Demonstrationen gegen die damalige CDU-Regierung, in denen SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre auftraten. All das finanziert mit Geld von Arbeitsamt und Sozialbehörde. Hinzu kommt: Der Verein hat seinen Mitarbeitern zehn Tage mehr Jahresurlaub (sog. AZV-Tage) gewährt als gesetzlich zugelassen.

Der Vereinsvorsitzende Erhard Pumm (SPD) hat jetzt gegenüber dem Abendblatt Fehler eingeräumt. Er bestreitet aber, dass die Mitarbeiter für SPD- und DGB-Propaganda eingesetzt worden seien. "Die Demonstrationen richteten sich nicht gegen eine Partei, sondern sollten auf die Notwendigkeit einer konsequenten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hinweisen", so Pumm. Tatsächlich wurden bei den Veranstaltungen Plakate aufgehängt, die einen durchgestrichenen Helmut Kohl zeigen, mit dem Spruch: "Sie können wir uns sparen".

Bei der Sozialbehörde (BAGS) und beim Arbeitsamt weiß man spätestens seit Ende 1999 von den Vorwürfen gegen den Verein. Das belegen Briefe, die dem Abendblatt vorliegen. Obwohl aber die BAGS den Verein jährlich mit mehr als einer Million Mark für Lohnkosten und Sachmittel fördert, hat man die Vorwürfe dort kaum geprüft. "Wir haben aber die Ermittlungen des Arbeitsamtes unterstützt", sagt Behördensprecher Stefan Marks.

Nun aber will plötzlich auch die Sozialbehörde Geld zurückfordern. Man habe die Summe noch nicht berechnet, so Marks. Aber es gehe um etwa 10 000 Mark. Neben der Rückzahlung fordert die Behörde jetzt auf einmal auch eine Ablösung des Vereinsgeschäftsführers Helmuth Diekwisch (SPD). Vorgehen wird man gegen den Genossen Diekwisch aber nicht. Der geht im November sowieso in den Ruhestand.

Beim Arbeitsamt ist der eine oder andere Mitarbeiter erstaunt über die geringe Höhe der Rückforderungen. Man hätte auch mehrere 100 000 Mark zurückfordern können, heißt es. Sowohl Behörde als auch Arbeitsamtsleitung seien aber bemüht, die Sache niedrig zu hängen.

Nach Ansicht der CDU steht der ganze Fall exemplarisch für die personellen Verquickungen von SPD, DGB, Behörden und Ämtern in Hamburg. "Der SPD-Filz gedeiht auch unter Senatorin Roth", so CDU-Sozialexpertin Antje Blumenthal. Die BAGS habe davon gewusst, dass Steuergelder missbräuchlich eingesetzt wurden. "Aber was macht Frau Roth: Augen zu und durch."

Pikant an der Sache: Die heutige SPD-Sozialsenatorin Karin Roth war bis 1998 selbst Chefin des DGB Nord und damit quasi Vorgesetzte ihres Parteifreundes, des DGB-Chefs und Vereinsvorsitzenden Pumm. Pumm ist überdies nicht nur bei SPD und DGB ein wichtiger Mann. Er ist auch Vorsitzender des Verwaltungsausschusses beim Arbeitsamt, das die ABM-Mittel an die Vereine vergibt. Pumms Genosse Diekwisch ist zudem nicht nur Geschäftsführer des Arbeitslosenvereins, der diese Staatsgelder bezieht. Pumm hat ihn auch gleich in den Unterausschuss für Arbeitsmarktinstrumente beim Arbeitsamt berufen. So kontrollieren SPD-Gewerkschafter alle Seiten: den mit Steuer-Millionen geförderten Verein, die zahlende Sozialbehörde und die Ausschüsse beim Arbeitsamt. Die Grenzen zwischen Partei, Gewerkschaft und Staat sind völlig verwischt.

Die Sozialbehörde will zunächst keine Strafanzeige wegen Subventionsbetrugs gegen den Verein stellen. "Wir warten ab, was das Arbeitsamt macht", sagt Sprecher Stefan Marks.