Von PER HINRICHS

So müsste ein Superstar aus dem Hotel kommen: Strahlend, im dunklen Anzug, Zigarre lässig im Mundwinkel, reißt er vor dem Foyer die Arme hoch und ruft der Journalistenmeute zu: "Hey Jungs, wie gehts euch. Toll, dass ihr hier seid!" Dutzende, ach was: Hunderte Girlies kreischen, schreien und bewerfen ihr Idol mit kleinen BHs. Dann steigt der Angebetete in eine dunkle Limousine und fährt weg, zum Golfplatz.

Robbie Williams aber hat einen Kapuzenpullover an, raucht eine selbst gedrehte Zigarette und fährt mit dem Bus zum Fußballspielen in den Stadtpark. Und zu den paar Leuten mit den Kameras vor dem Atlantic Hotel sagt ein Bodyguard: "Haut ab." Der Typ trägt einen schwarzen Ledermantel und eine gelbe Trillerpfeife um den Hals. Damit sieht er ein bisschen aus wie "Shaft", der schwarze Filmdetektiv aus New York, in jedem Fall ist an diesem Freitagmittag vor dem Atlantic Hotel alles anders, als es sich für einen Superstar gehört. Nicht einmal ein Mädchen schwänzt für Robbie heute die Schule.

Hat er deswegen keine Lust auf ein Foto, zwei Sätze in die Kamera, ein Lächeln auf dem Gesicht? Wie ein sizilianischer Kronzeuge aus dem Zeugenschutzprogramm duckt er sich in den Pullover, Leibwächter halten ihre schützenden Hände vor sein Gesicht. Nur dem Abendblatt-Fotografen gelingt ein Bild, als Robbie Williams (26) in den Doppeldeckerbus steigt und seine 30-köpfige Entourage, die sich in der Hotelhalle bei Journalisten schon vorgestellt hatte ("Was machen Sie hier? Haben Sie überhaupt ein Zimmer gebucht?"), ihm folgt.

"Heute hat er einen freien Tag", erklärt eine Frau aus dem Tross die Launen der Diva. Ansonsten: "No Interviews." Weil sie heute arbeiten müssen, fahren die Reporter dem Bus aus Plymouth mit der Nummer LSK 615 bis zum Sportplatz des Vfl Hamburg am Stadtpark hinterher. Und dann steht Shaft breitbeinig vor dem Eingang und sieht ein, dass der freie Tag flachfällt. "Ihr dürft ans Spielfeld, aber danach lasst ihr uns in Ruhe!", sagt er. Sonst würde "big Shit" passieren.

Das klingt nicht gut, also versteht man sich. Die Kameras klicken: Robbie beim Fußballschuheschnüren. Robbie beim Warmlaufen. Robbie beim Kicken. Mit der "7" auf dem Rücken - Kevin Keegans Nummer beim HSV - sürmt er im weißen Trikot mit seinen Jungs gegen eine deutsche Mannschaft. Heribert Faßbender würde sagen, dass Williams nicht an den Mann rangeht, die Zweikämpfe zu häufig verliert, ein schwaches Laufpensum hat und manchmal schlicht pennt. Außerdem sieht es bescheuert aus, wenn er - die Hände in die Hüften gestemmt - übern Platz wackelt. Robbie Williams auf dem Fußballplatz ist wie Lothar Matthäus beim Grand Prix. Nur, dass selbst der Kicker-Rentner mehr weibliche Fans mobilisieren würde. Bislang hat sich nämlich immer noch kein Teenie blicken lassen.

Ob es an Robbies Coming-out zu Weihnachten liegt? Da verkündete der ehemalige Take-That-Sänger, dass er schwul sei und er sich ab sofort "Roberta" nennen wolle. PR-Gag oder nicht, in den Kinderzimmern jaulten die Fans auf. Der 26-Jährige sieht zwar immer noch gut aus, kann singen und tanzen und hat geschätzte 30 Millionen Mark auf dem Konto. Doch bei Regen und Kälte erwärmen sich außer den Journalisten nur zwei Männer für den Briten-Kick. "Wir hätten uns ruhig ein Glühweinchen mitnehmen können", näselt der eine.

Shaft, der den Schiedsrichter gibt, hat ein Einsehen. Abpfiff. Es regnet zu stark; jetzt gehts unter die Dusche. Danach besucht Robbie noch ein Tonstudio in Eidelstedt und ruht sich anschließend in der Suite an der Alster aus.

Heute hat er schließlich seinen großen Tag. Übt seinen Beruf aus. Der Mann im Ledermantel sitzt dann irgendwo hinter der Bühne, seine Bodyguards spielen in der Garderobe Karten. Vor Tausenden Fans tritt Williams in der Sporthalle Alsterdorf auf, wird auf die Bühne gehen, und dann wird alles wieder so sein wie im kleinen Pub seiner Mutter im nordenglischen Stoke-on-Trent, wo Robbie seine Kindheit damit verbrachte, bis vier Uhr morgens den Gästen vorzusingen.

Das Licht flammt auf, Robbie Williams trägt einen dunklen Anzug, reißt die Arme hoch und fragt: "Wie gehts? Toll, dass ihr hier seid!" Nach Aufmerksamkeit und Ruhm kann man süchtig werden, hat Robbie mal gesagt.

Und dann schreien die Mädchen vor Begeisterung, werfen mit Unterwäsche und singen bei "Angel" mit, jede Zeile. Und es ist ihnen schnuppe, dass Robbie Williams manchmal komisch ist und ein mittelmäßiger Fußballer obendrein.

Wie Lothar Matthäus beim Grand Prix

" . . . aber danach lasst ihr uns in Ruhe"