Von ERIKA KRÜGER

Malchin - Die Finger gleiten über das Manual. Die Füße treten gleichzeitig das Pedal. Zarte Akkorde erklingen. Nach und nach zieht die Organistin die Register aus der Holzverkleidung. Flöten, Posaunen, Streichinstrumente vermag das gewaltige Instrument zu intonieren. Tiefe Töne erweitern das Spiel, bis der weihnachtliche Choral "Oh du Fröhliche" durch die dreischiffige gotische Basilika schallt.

In der Nähe macht der musikalische Organismus einen hörbar kränkelnden Eindruck. Die zehn Meter hohe und sechs Meter breite Orgel in der evangelischen St. Johanniskirche von Malchin (Mecklenburg) ächzt und hüstelt. "Sie ist eben eine alte Dame. Es klappert im Gebälk", sagt die Kantorin Sabine Schumann fast entschuldigend. Holzwurm und etliche Dellen in den 4000 Pfeifen haben den Wohlklang des Kircheninstruments im Laufe der Jahre verstimmt.

Pastor Thomas Waack möchte "das Sorgenkind" seiner Gemeinde aufpäppeln. "Wir sammeln bereits, wollen Basare und andere Aktionen organisieren." Die Restaurierung der Orgel wird um die 500 000 Mark kosten. Viel Geld für eine kleine Gemeinde mit nur 1500 Mitgliedern und eine Stadt, in der 20 Prozent der 9000 Einwohner arbeitslos sind.

Für den Orgelsachverständigen und Kirchenmusiker Wolfgang Leppin aus Güstrow sind die veranschlagten Kosten angemessen. "Würde ein Orgelbauer dieses Instrument neu bauen, müssten wir dafür 1,2 Millionen Mark bezahlen." Die Orgel sei "ideell von unschätzbarem Wert".

Sie gehört zu den fünf noch erhaltenen großen Orgeln des Großherzoglichen Hoforgelbauers Friedrich Friese (1827-1896) aus Schwerin. Der baute das Kircheninstrument 1877 in den barocken Prospekt von Paul Schmidt, dessen Pfeifenwerk verschlissen war, dessen Gehäuse mit seinen goldenen und blauen Ornamenten aber erhalten bleiben sollte. "Schmidts Orgeln hatten nie eine lange Lebensdauer, aber seine Prospekte sind einfach wunderbar", schwärmt die Organistin Schumann. Das Mecklenburgische Wappen an der Orgelempore erinnere bis heute daran, dass zwischen 1621 bis 1918 der Landtag alle zwei Jahre in Malchin tagte.

Geld erhoffen die Malchiner sich zum Beispiel von der "Zeit"-Stiftung in Hamburg. Die hat Anfang des Jahres das Förderprogramm "Orgelrestaurierungen in Mecklenburg-Vorpommern" aufgelegt. "Die Orgeln sind in diesem Bundesland akut gefährdet, viele müssen sogar als verloren gelten", sagt Projektleiter Philipp Adlung von der "Zeit"-Stiftung.

750 Instrumente haben berühmte Orgelbauer wie Friedrich Friese im 18. und 19. Jahrhundert in dem ländlichen Flächenland gebaut. "In keiner anderen Region Deutschlands sind auf so engem Raum alle Spielarten des deutschen romantischen Orgelbaus zu studieren wie hier", weiß der Musikologe. Die "Zeit"-Stiftung will über drei Jahre 1,5 Millionen Mark für die Restaurierung einiger besonders gefährdeter Instrumente bereitstellen.

Die beiden Landeskirchen in Mecklenburg-Vorpommern sowie das Landesamt für Denkmalpflege bringen gemeinsam noch einmal den gleichen Betrag auf. Die Hamburger Hermann-Reemtsma-Stiftung wird sich mit einer Million Mark beteiligen, bestätigt Adlung. Deren Mittel sollen insbesondere für das Aufarbeiten von Barockorgeln eingesetzt werden.

Ob die Malchiner Orgel Stiftungsspenden erhält, ist noch ungewiss. Die Johannis-Gemeinde will es beantragen.

Das Orgelwerk klingt dunkel, fast mystisch. "Das Außergewöhnliche an unserer Orgel ist, dass ihre Tonlage nie verändert wurde", sagt Sabine Schumann.

Die Kirchenmusiker entdeckten nach dem Ersten Weltkrieg die Barockmusik mit ihren helleren Tönen wieder. Tiefe Klänge waren nicht mehr in Mode. "Die haben bei vielen Orgeln kurzerhand die Pfeifen abgeschnitten", sagt Schumann.

Von diesem Schicksal blieb die Friese-Orgel in Malchin verschont. Nur die sechs Meter hohen Zinnpfeifen rechts und links im Prospekt wurden 1917 für Kriegszwecke beschlagnahmt und eingeschmolzen. Vorhänge füllten über Jahrzehnte provisorisch das leere Gehäuse. "Erst 1992 konnten wir Pfeifen aus der Domorgel Schwerin in die leeren Felder setzen", sagt Wolfgang Leppin.

Der Orgelsachverständige: "Eine Restaurierung dieser wunderbaren Orgel steht auf der Dringlichkeitsskala weit oben."

Spenden unter Stichwort "Friese-Orgel" an Konto Nr. 510 000 762, Kreissparkasse Demmin, BLZ: 150 503 00.