BSE brachte das Rindfleisch in Verruf und lässt viele Fragen offen. Verbraucher haben die oft zweifelhafte Alternative Schwein und Geflügel neu entdeckt - und die Wissenschaftler versuchen, den Weg des BSE-Erregers zu erforschen.

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ufbruchstimmung an der Warenterminbörse Hannover: Die BSE-Krise bedeutet Rückenwind für einen Ladenhüter, für die so genannten Schweine-Future - vertraglich zugesicherte Lieferungen von Schweinefleisch. Auch an den Ladentheken stehen Schweinefleisch und Geflügel hoch im Kurs. Für Tierschützer ist der Trend ein Graus, denn die Intensivmast von Puten, Enten, Schweinen und Kaninchen ist meist noch weit weniger tiergerecht als die Rinderhaltung.

Die Quälerei beginnt bei den Ferkeln in den ersten Lebenswochen: Den männlichen Tieren werden ohne Betäubung die Hoden abgeschnitten, damit das Fleisch während der Mast nicht den typischen Ebergeruch annimmt. In England, Irland und Spanien ist diese schmerzhafte Prozedur verboten.

Nach etwa drei Wochen werden die Ferkel von der Mutter abgesetzt und in Gruppen gehalten. Dabei herrscht drangvolle Enge: Die deutsche Schweinehaltungsverordnung gesteht jedem Tier mit einem Schlachtgewicht von 110 Kilo 0,65 Quadratmeter Fläche zu.

Um Aggressionen vorzubeugen, werden den jungen Ferkeln die Schwänze abgeschnitten und die Eckzähne gekürzt. "Die Zähne werden oft noch mit Zangen abgekniffen", so Eckard Wendt vom Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung (VgtM). "Im Zahn entstehen Risse, die leicht zu Entzündungen führen. Deshalb ist heute nur noch das Abschleifen erlaubt. Trotzdem werden die Zangen noch im Fachhandel angeboten."

Die Mütter der armen Schweine sind nicht besser dran. Gut 2,6 Millionen Zuchtsauen werden in Deutschland überwiegend in so genannten Kastenständen gehalten. Die Gitterkonstruktionen sind oft nur 1,80 Meter lang und 65 Zentimeter breit. Die Bewegungsmöglichkeiten der Sauen beschränken sich aufs Aufstehen und Niederlegen. Zwar müssen die Tiere laut Verordnung täglich "freie Bewegung" erhalten. Doch dazu reiche "ein kurzes Austreiben in die Stallgasse und wieder zurück", stellt der Verein "Vier Pfoten" fest.

Mit einer Studie zur Schweinehaltung in der EU zeigte "Vier Pfoten", dass der deutsche Standard hinter den Vorschriften von Schweden, Finnland, Großbritannien, Niederlande und Dänemark zurückfällt. "Die tierquälerischen Kastenstände und Vollspaltenböden müssen verschwinden", fordert Kurt Schmidinger, Autor der Studie.

Nicht viel besser ergeht es den geflügelten Fleischlieferanten. Puten und Enten stehen dicht an dicht in riesigen Ställen. Damit sie sich gegenseitig nicht zu sehr verletzen, wird bereits den Küken der Oberschnabel gekürzt. "Bei den Enten sitzt dort ein empfindliches Tastorgan, mit dem sie in der Natur nach Nahrung gründeln", erklärt Eckard Wendt. "Das Schnabelkürzen ist mit dem Abschneiden der Oberlippe vergleichbar."

Die Flug- oder Moschusente sei scheu und aggressiv und deshalb für die Massentierhaltung nicht geeignet, urteilt Wendt. Dagegen entgingen die ruhigeren Pekingenten und Kreuzungen mit der Entenrasse dem Schnabelkürzen. Und auch die Mast der geselligen Gänse ist generell weniger problematisch als bei Moschusenten und Puten.

Letztere stehen zu Tausenden in engen Ställen herum - für die von Natur aus lauffreudigen Vögel wohl kaum eine artgerechte Haltung. Der Stallboden ist mit Kot bedeckt, deshalb werden vorbeugend Mittel gegen Durchfall verabreicht. "Die Markenfleischprogramme verzichten auf den Einsatz von Antibiotika", sagt Wendt, "aber die Haltungsform kommt ohne Medikamentengaben nicht aus."

Immer wieder lassen sich Arzneimittelrückstände in Fleisch nachweisen. 1998 überschritten nach Angaben des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) vereinzelt sogar Proben die gesetzlich zulässigen Höchstmengen. Die Kontrolleure wurden hauptsächlich bei Schweinen und Puten fündig.

Wer meint, mit Kaninchenfleisch richtig zu liegen, muss sich von Tierschutzexperten belehren lassen. Die Hoppler werden mit zwei bis sechs Tieren in engen Gitterkäfigen gehalten, die kaninchentypischen Hüpfer unmöglich machen.

Als Ausweg aus der Misere bietet sich neben dem Umstieg auf rein pflanzliche Lebensmittel der Griff zum teureren Biofleisch an. Die Tiere werden nicht nur artgerecht gehalten, sondern traditionell nur mit pflanzlichem Futter ernährt. Und: Nach dem heutigen Stand des Wissens über BSE ist nicht einmal gegen ein Bio-Rindersteak etwas einzuwenden.

Biofleisch-Bezugsquellen im Internet:

www.soel.de