dpa Hannover - Zweieinhalb Jahre nach der ICE-Katastrophe von Eschede hat der damalige Einsatzleiter massive Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn AG erhoben. "Die Bahn hat eindeutig nichts aus dem Unfall gelernt", sagte Claus Lange, der Leiter der Berufsfeuerwehr Hannover. "Würde es heute irgendwo in Deutschland noch mal ein ähnliches Unglück geben, hätten die Rettungskräfte genau die gleichen Probleme wie damals. Die Bahn hat überhaupt kein Krisenmanagement."

Bei dem Unglück am 3. Juni 1998 waren 101 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 100 verletzt worden. Die Rettungskräfte hatten damals massive Probleme, die Außenhülle des ICE zu zerschneiden, um in die Wagen zu gelangen.

Die Bahn wies Langes Vorwürfe zurück. Das Unternehmen habe aus der Katastrophe gelernt, sagte ein Bahnsprecher. Erst im November seien "Crash-Tests" mit Bahnfahrzeugen gemacht worden, die zurzeit bei Bahn und Industrie ausgewertet würden. Zudem habe es Rettungsübungen mit Feuerwehren gegeben, zum Beispiel in Fulda und Stuttgart. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Ausrüstung der Feuerwehren "grundsätzlich" ausreiche, um über die Fenster in einen verunglückten Zug einzudringen. Vom kommenden Frühjahr an würden in mehreren Zügen sechs Monate lang Zugfenster mit Sollbruchstellen erprobt.

Kritiker Lange sagte weiter, die Bahn halte sich nicht an eine Vereinbarung mit den Bundesländern, wonach die Bahn für die notwendige technische Ausstattung der Feuerwehren sorgen will. Die Feuerwehr Hannover habe sich entsprechende Geräte für 10 000 Mark auf eigene Kosten anschaffen müssen. Kleinere Feuerwehren könnten sich solche Ausgaben nicht leisten.

"Ich verstehe nicht, wie die Bahn sich so stur stellen kann", sagte Lange. "Die stellt sich auf den Standpunkt: Wir haben kein besonderes Risiko, deshalb müssen die Kommunen die Kosten decken", so der Einsatzleiter. "Ich sehe nicht ein, dass aus Steuermitteln finanziert wird, was eigentlich das Unternehmen bezahlen müsste."

Auch für andere Notfälle sei die Bahn wegen mangelnder Vorsorge nicht gerüstet. "Es fehlen Feuerwehrpläne für Tunnel und Bahnhöfe", sagte Lange. So habe die Feuerwehr bereits vor anderthalb Jahren, als der Umbau des Hauptbahnhofs Hannover begann, einen Plan angefordert. Die Bahn habe bis heute nichts vorgelegt.