Von ANDREAS BURGMAYER

An einem kalten Oktobermorgen kommt der Anruf, ganz früh. Bernd Schilling, Niederlassungsleiter von Overbruck Logistik in Ahrensburg, steht senkrecht im Bett. Ein Lastwagen ist von der Fahrbahn abgekommen und in den Straßengraben gekippt, in der Nähe von Zarrentin in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ladung: 60 000 Exemplare der "Funk Uhr", 40 000 "Hörzu"-Ausgaben und 10 000 Sonderhefte.

In solchen Situationen zeigt sich, wie gut eine Spedition organisiert ist. "Ich fuhr sofort raus. Auf der Straße sortierte ich die Ausgaben mit meinem Team", sagt Schilling. Sogar abgelöste Abonnenten-Etiketten klebt der 47-Jährige mit Pritt-Stift wieder auf. Die Leser der Fernsehzeitschriften bekommen an diesem Tag - wie immer - ihr Heft. Der eine oder andere hat sich höchstens gewundert, dass es etwas später im Briefkasten lag. "Das ist das Schicksal der Logistiker", seufzt Schilling. "Unsere Arbeit wird unterschätzt, weil man sie nicht sieht. Die passiert, und keiner macht sich Gedanken." Und weil sich niemand Gedanken machen muss, ist die Spedition Overbruck auch so erfolgreich. Seit 1955 liefert die von Heinz Overbruck gegründete Spedition vor allem Presseerzeugnisse in die ganze Welt. Mit Lastwagen auf der Straße, mit "Aircargo" in der Luft und "Seafreight" zu Wasser. Mit 350 Mitarbeitern wird ein Umsatz von 300 Millionen Mark erwirtschaftet.

Bernd Schilling und die 34 Mitarbeiter seiner Niederlassung in Ahrensburg regeln den Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften aus dem Druckhaus des Axel Springer Verlages. Um das zu leisten, muss Bernd Schilling früh raus. Um 7.30 Uhr sitzt er jeden Morgen in seinem Büro. Zuerst lässt er sich berichten, wie die Auslieferung in der vergangenen Nacht gelaufen ist. Sprich: Hat das Standard-Geschäft wieder nahtlos funktioniert? Standard, das bedeutet unter anderem rund 325 000 Exemplare des "Hamburger Abendblatts" und 700 000 der "Bild"-Zeitung (Gesamtauflage: 4,48 Mio.) rechtzeitig auszuliefern. Am Wochenende kommen noch 150 000 Exemplare der "Welt am Sonntag" (Gesamtauflage: rund 450 000) und die 400 000 Exemplare der "Bild am Sonntag" (Gesamtauflage: rund 2,6 Mio.) dazu. Dafür sind fast 500 Lkw jede Woche im Einsatz, jeder davon mit etwa 25 Tonnen Ladung. Sie dürfen niemals ohne Ladung unterwegs sein: "Zehn Leerkilometer können wir uns in diesem Geschäft nicht leisten. Auch unter Umweltaspekten geht so etwas heutzutage nicht mehr", sagt Schilling.

Dabei besitzt Overbruck Logistik selbst nicht einen einzigen Lastwagen. Fernfahrer werden samt ihren Zügen für den "Overbruck Unternehmerring" angemietet. Die Fahrer müssen bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen, dafür werden sie über Overbruck komplett disponiert. Besonderen Einsatz leistet die Spedition Overbruck bei Sonderaktionen. Wenn Werbeagenturen

sich Werbegags einfallen lassen, ist Anja Dardat gefordert. Die 27 Jahre alte Speditionskauffrau betreut seit drei Jahren das so genannte Akzidens-Geschäft. Sie kümmert sich um ausländische Produkte, die in Ahrensburg gedruckt werden. Und eben um "Beiprodukte": Postkarten oder andere Drucksachen seien da noch harmlos. "Aber wenn die Computer-Bild eine CD beilegt, dann muss ich 300 bis 350 Paletten CDs auf zehn bis 15 Lastwagen koordinieren", sagt Dardat. Und das "just in time", denn die CDs müssen exakt zum Einsortieren vor Ort in der Druckerei sein, wenn die Zeitschrift vom Band kommt.

Wenn Bernd Schilling gegen 19 Uhr sein Büro verlässt, erinnert er sich manchmal an das Presse-Sprichwort: "Der Leser stimmt am Kiosk ab." Aus seiner Sicht stellt sich das natürlich etwas anders dar: "Dazu muss der Leser seine Zeitung aber erst mal am Kiosk finden."