Von CHRISTINE BÖER

"Na, Vadder, wieder da? Ach, spiel doch mal La Paloma!" Der Discjockey an der Drehorgel lächelt. Zum Fischmarkt passt Hans Albers Song über das Fernweh wie zum Tanztee der von Elisabeth, die so schöne Beine hat. Den richtigen Ohrwurm am richtigen Ort, den hat er drauf. Claus Kröplin, Musikonkel mit fahrbarem Repertoire, gehört seit Jahren zu den Straßenacts dieser Stadt. Ein Mann wie aus einem Bilderbuch.

Die Rosen an seinem Hut und an seiner Jacke sind zwar aus Plastik, aber der Mann an sich ist echt. Claus Kröplin steht zu dem, was ihm das wechselvolle Leben an Kerben ins Gesicht geschrieben hat. "Bin ganz schön durchgeschüttelt worden", sagt der 65-Jährige so nebenbei. Er sagt es nicht bitter, er sagt es mit diesem ganz besonderen Lächeln, das zu seinem nostalgischen Outfit passt.

In Eppendorf ist Kröplin zu Hause. "Ich bin in die Wohnung hineingeboren, in der ich noch heute lebe", sagt er und lässt unprätentiös Stationen seines Daseins Revue passieren. Der im Krieg Aufgewachsene hatte schon immer "einen Tick für Tiere" und spielte bereits als Kind in einer Tierrevue im Zoo. Später lernte er Tierpfleger bei Hagenbeck und arbeitete dort fünf Jahre, zuletzt bei den Menschenaffen. Dann wurde er vom Fleck weg von einem Zirkus engagiert und ging 1957 nach England zu "Billy Smart". Mit Frau und eigener Schimpansennummer kam der Wandlungsfähige später stolz nach Hamburg zurück und nahm im Laufe der Zeit Engagements bei unterschiedlichen Zirkusunternehmen an. Bald trat er zusammen mit den Töchtern Lilian und Nadja auf. Erfahrungen im Umgang mit großen und kleinen Tieren brachten den Kröplins besonderen Erfolg mit einer Pudel-Tauben-Papageien-Nummer, die auch im Hamburger Hansa-Theater vorgeführt wurde. Claus Kröplin lächelt schalkhaft, wenn er sich erinnert. "Sie sollten mal meine Alben ansehen", sagt er, "da hab ich Fotos von meiner Hochzeit in England, bei der Schimpansen die Brautschleppe meiner Frau trugen!" Der Vielgereiste ist sogar schon in Japan gewesen, aber "meine Lieblingsstadt ist Kopenhagen, dicht gefolgt von Hamburg, Budapest und Wien!"

Heute hat sich beim Zirkus viel geändert. Sensationen kommen ja jeden Tag über den Bildschirm ins Haus. Trotzdem wollen die Menschen Dinge aus erster Hand erleben, Manegenluft schnuppern, nah sehen und - sich erinnern. Besonders an Dinge aus alter Zeit. Claus Kröplin weiß das.

Als er vor 15 Jahren beim dänischen Zirkus Benneweis mit einer Drehorgel auftrat, und diese Rolle wie für ihn gemacht schien, kaufte er einen Leierkasten. "In meinem Klamottenfundus fand ich einen alten Chapeauclaque, dem habe ich dann noch mal richtig eins über den Deckel gegeben", schmunzelt er. Auf diese Weise kam sein Hut zu der unnachahmlichen Form und Kröplin zu einem neuen Metier. Mit der Drehorgel, die 20 Tonstufen und 200 Melodien in petto hat, zieht Kröplin seitdem durch die Lande; spielt auf Wochenmärkten, Jubiläen, Galaabenden "im Frack natürlich" oder beim Stuttgarter Weindorf auf dem Rathausmarkt. "Aber ich lutsch einen Standort nicht aus", sagt er. Sein Metier versteht er nicht nur als Broterwerb. Wenn ihm ein Kind statt Geld einen kleinen Plastikkäfer oder einen Würfel überreicht, empfindet er solch ein Geschenk als Glücksbringer. "Heute geben mir die Teenager etwas von ihrem Taschengeld, die als Kinder den Groschen ihrer Eltern brachten", beobachtet Claus Kröplin gerührt.

Wenn er sechs Wochen lang nicht an einem seiner Standorte erscheint, wird er von Anwohnern gefragt: "Du warst doch nicht etwa krank?" Dann ist der Mann mit dem Lächeln froh.