Von MARLIES FISCHER

Hannover - Der Euro ist eine Scheibe. Jedenfalls auf der Weltausstellung in Hannover. Dort schwankt er nicht wie an der Devisenbörse in kleinen Schritten rauf und runter, sondern er steigt senkrecht hinauf. Im Pavillon der Europäischen Union (EU) ist der Euro eine Aufzugsplattform in die Zukunft.

Unter dem Motto "Europa erfahren von gestern bis heute" präsentiert die EU sich direkt gegenüber dem Deutschen Pavillon am Beginn des Europa-Boulevards. Auf rund 3000 Quadratmetern können die Besucher eine 30-minütige Reise durch die seit fünf Jahrzehnten währende Geschichte der europäischen Integration machen. "Für jeden ist etwas dabei", sagt Pressesprecher Jimmy Jamar. "Wer sich für bestimmte Detailfragen, zum Beispiel bei Bildungsprogrammen oder Umweltprojekten interessiert, bekommt auch ausführliche Informationen."

Man habe sich bemüht, Europa als "sehr zugänglich" zu präsentieren und deshalb die Bereiche Bildung, Kultur und Umwelt besonders betont. Knapp 32 Millionen Mark beträgt der Etat für den Europa-Auftritt bei der Weltausstellung. Erwartet werden etwa 7000 Besucher pro Tag.

Und die werden mit Tempo in die Ausstellung hineingezogen. Wer nämlich an den Petticoat-Kleidern, der Isetta und der Wurlitzer-Musikbox vorbeigeschlendert ist, landet in einem "TimeShuttle".

In diesem Kino erleben die Zuschauer vier Minuten lang einen rasanten europäischen Bilderbogen als Zeitreise. Und weil der Raum sich bewegt, geht man wie die Vespa auf der italienischen Küstenstraße in die Kurve, erklimmt atemlos den Eiffelturm oder flitzt auf dem Fahrrad durch Barcelona. Natürlich fehlen auch Schweden-Pop mit Abba oder der Fall der Berliner Mauer nicht, und zum Schluss gibts einen Blick auf Europa aus dem All.

"Ich fands toll", sagt Vitali (13) aus Drochtersen. Seine Freunde Nicolai und Marc (12) aus der Klasse 6c der Elbmarschen-Schule befinden: "So lernen wir gern etwas über die Geschichte Europas."

Hostess Elke Schepokat weiß, dass der Film der Renner in Sachen Europa ist. "Viele Leute kommen nur wegen dieses Streifens in den Pavillon, manche sogar mehrmals."

Auch das Schwarze Brett im Obergeschoss des EU-Hauses zeugt von der Begeisterung der Besucher. "Der Pavillon ist der Beste, den ich bislang gesehen habe", schreibt eine Simone. Anita fands "wunderbar", und Jens lobt: "Sehr gut gemacht."

Der zweite Publikumsmagnet ist der europäische "Sound-Atlas". Geräuschen und Klangwelten aus 30 Städten kann man über Kopfhörer lauschen. So ist Wien mit Applaus zum Abschluss eines Konzerts vertreten, Berlin lässt ein Martinshorn und die Ansage in der U-Bahn "Zurückbleiben bitte" ertönen, und aus dem irischen Waterford ist das Stimmengewirr im Pub mit Blues im Hintergrund zu hören. Europa an sich stellt sich mit Glockengeläut akustisch dar.

Neben den vielen Computern und Bildschirmen, die über alle möglichen EU-Projekte, über die Mitgliedsstaaten und die Beitrittskandidaten sowie über Struktur und Arbeitsweise der EU informieren, gibt es jede Menge Material zur gemeinsamen Währung Euro.

"Schön, dass ich schon mal sehen kann, wie künftig mein Taschengeld aussieht", freut Antonia (11) sich. Sie ist mit ihrer ganzen Klasse, der 5b der Orientierungsstufe Emmerthal bei Hameln, zur Expo gekommen. Klassenlehrerin Gisela Schuster hat die Kinder auf den Besuch im EU-Pavillon vorbereitet: "Wir haben vorher erarbeitet, welche Länder zu Europa gehören und Material über die Staaten besorgt."

Aber auch die vielen dienstbaren Geister in ihren khakifarbenen Anzügen geben nur zu gern Auskunft. Marcus Zeim (25) aus Hannover hat gerade sein Politik-Studium an der Sorbonne in Paris beendet und kennt sich gut aus mit dem Kontinent. "Ich bin begeisterter Europäer, möchte den Besuchern davon etwas abgeben und ihre Fragen beantworten."

Am Ende der Zeitreise sagt eine Stimme am Ausgang: "Auf Wiedersehen, Good bye, à bientôt, Farvel!" Vokabelhilfe für den nächsten Urlaub - Europa ganz praktisch.

Wie wars bei der Expo? Leser sagen ihre Meinung

"Wir werden noch öfter hinfahren"

HA Hamburg - Dutzende Abendblatt-Leser sind dem Aufruf gefolgt, ihre Meinung zur Expo zu sagen. Wie wars?; Was war toll?; Was hat weniger oder gar nicht gefallen? Und vieleicht auch: Warum sind sie (noch) nicht nach Hannover gefahren? Hier weitere Auszüge aus den Zuschriften (an Hamburger Abendblatt, Ressort Norddeutschland, Stichwort Expo, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg, oder als E-Mail an briefe@abendblatt.de).

Expo macht Laune

Es ist einfach toll. Die ganze Welt auf einem Haufen. Der Themenpark ist fantastisch, die vielen Außenangebote locken immer zum Verweilen. Bei den Pavillons gab es kaum einen, der nicht mit Liebe und Begeisterung eingerichtet wurde. Wir fanden Jordanien am besten. Bis jetzt machte die Expo richtig Laune. Info, Stimmung, Unterhaltung - klasse. Jetzt habe ich gerade ein Album mit ca. 400 Bildern zusammengestellt und mache damit überall Reklame.

Birgit Kuhl, Halstenbek

Was sagt mir das?

Meine Eindrücke von einem Besuch auf der Expo: 1. Interessant, man muss nicht alles gut finden. 2. Riesig - an einem Tag nicht zu schaffen, deshalb folgt ein zweiter Besuch. 3. Preis/Leistung beim Besuch mit einem Kind und Anfahrt mit der Bahn: gut - aber eben immer noch etwa 180 Mark. Für eine Familie mit zwei Kindern, die eine weitere Anfahrt hat, rechnet es sich nur schwer. 4. Es stellt sich jedoch manchmal die Frage: Was sagt mir das? Die Gondelbahn über den Köpfen ist wenigstens eine klare Aussage. 5. Besucherzahlen: Schon jetzt gibt es zum Teil für mich nicht akzeptable Warteschlangen (zehn bis 15 Minuten sind okay, aber das Doppelte, Dreifache oder sogar mehr?), und auch die Busse sind nachmittags überlastet. Wenn die Expo die kalkulierten Besucherzahlen hätte, wäre das sicherlich für den Besucher keine Freude mehr.

J. und B. Stephan, via E-Mail

Eine Reise wert!

Wir waren aufs Angenehmste überrascht! Fuhren mit den Zubringerbussen auf dem Gelände kostenlos zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, vom Irland-Pavillon bis zum Deutschen Pavillon, wo uns die gigantische Show fast den Atem raubte! Pappsatt aßen wir unseren Menüteller für zwölf Mark leer und stärkten uns mit einem Stück Himbeerkuchen und einem Pott Kaffee für 5,90 Mark. Alles im Themenpark zu haben. Obendrein wurden wir aufs Freundlichste bedient! Fazit: Expo ist eine Reise wert. Wer nicht da war, hat ein großes Familienfest versäumt. Ich fahre noch mal hin!

Helga Brietzke, Hamburg

Die Welt für 69 Mark

Ich habe selten in Deutschland so viele gut gelaunte, offene, gesprächsbereite Leute (Deutsche ebenso wie Ausländer) getroffen wie dort. Wo wird einem sonst fast die ganze Welt für 69 Mark Eintritt geboten? Das Preis-Leistungs-Verhältnis variiert: Die Niederländer sind in ihrem Pavillon sehr teuer (ein Heringsbrötchen 7,50 Mark), im nepalesischen Pavillon kann man sich für zehn Mark (Momos mit scharfer Soße) äußerst lecker satt essen. Auch die Anreise zur Expo mit einem Jasper-Bus klappte hervorragend - und nach neun Stunden Expo habe ich es genossen, bequem im Bus nach Hamburg zurückgefahren zu werden.

Heidi Wiesner, via E-Mail

Attraktives Angebot

Wir (Ehepaar Mitte 70) waren auf der Expo 2000. Wir sind begeistert und werden noch öfter hinfahren, um alles zu sehen. Angebot attraktiv, Service (Bus-Shuttle, Essen, Trinken, Toiletten) sehr gut. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, Organisation sehr gut, Einzelausstellungen gut zu begreifen und informativ. Wir sind mit allem gut klargekommen.

H. und L. Plesch, Hamburg

Nationentag

Kaffee, Bananen und Kokain

In Kolumbien leben etwa 39,3 Millionen Menschen. Die meisten von ihnen sind Mestizen (58 Prozent), Weiße (20 Prozent) oder Mulatten (14 Prozent). 95 Prozent der Einwohner gehören der katholischen Kirche an. Amtssprache ist Spanisch. An der Küste und im Osten des gut 1,1 Millionen Quadratkilometer großen südamerikanischen Landes herrscht tropisches Klima. Seit zwei Jahren ist Präsident Andres Pastrana Staatsoberhaupt der Republik. Kolumbien exportiert vor allem Rohöl, Kaffee, Kohle, Gold, Bananen und Schnittblumen. In Teilen des Landes gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und linksgerichteten Rebellen. Sie werden auch für zahlreiche Entführungen verantwortlich gemacht. Zudem gilt Kolumbien als eines der Hauptexportländer für illegal hergestelltes Kokain. dpa

Entwicklungsländer locken Investoren und Touristen

dpa Hannover - Händler in landestypischen Trachten ordnen ihre Waren, Besucher wühlen in Kisten mit Schmuckstücken, ein junger Mann schlägt auf eine Trommel: Auf den ersten Blick scheint die Afrika-Halle auf der Expo in Hannover ein einziger bunter Basar zu sein. Doch die Stände haben mehr zu bieten. Viele afrikanische Länder und Entwicklungsländer anderer Erdteile zeigen auf der Weltausstellung ihre Vorstellungen, wie die Zukunft für die bitterarmen Länder aussehen kann.

Mehr als 130 Entwicklungs- und Reformstaaten - so viele wie nie zuvor - präsentieren sich auf der Expo in Hannover. Unter dem Motto "One World" ("Eine Welt") werden gut 90 dieser Länder von der Bundesregierung und der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt. "Wir haben die Länder bei der Umsetzung ihres Expo-Auftritts beraten und ihn häufig auch mit finanziert", sagt Andreas von Schumann, Sprecher der One-World-Initiative. Aus Berlin kamen für den entwicklungspolitischen Expo-Beitrag 100 Millionen Mark.

Viele Staaten haben ihre Expo-Premiere

Dabei richte sich die Art der Unterstützung nach den bisherigen Expo-Erfahrungen der Länder und der Situation im Heimatstaat, sagt von Schumann. "Länder wie Albanien, Usbekistan oder Aserbaidschan waren noch nie dabei und befinden sich zudem in einem Umstrukturierungsprozess. Da war viel Hilfe nötig, weil die Staaten sehr unsicher über ihren Expo-Auftritt waren." Länder wie Bhutan und Nepal dagegen seien von Anfang an mit "sehr selbstbewussten Konzepten" angetreten. Ihre buddhistischen Tempel zählen zu den absoluten Besuchermagneten auf der Weltausstellung.

Für den Expo-Auftritt der Entwicklungsländer gibt es außer der Bundesregierung drei weitere Geldquellen: die Regierung des jeweiligen Landes, Sponsoren aus der Wirtschaft und Einnahmen aus dem Verkauf landestypischer Waren. "Als absolutes Minimum benötigt ein Land auf der Expo ein Gesamtbudget von 1,6 Millionen Mark - davon müssen Standmiete, der Unterhalt der Mitarbeiter und das Kulturprogramm bezahlt werden", sagt von Schumann. Deshalb seien Verkaufsflächen wie der bunte Basar in der Afrika-Halle für die Länder von großer Bedeutung. "Wichtig ist, dass die Länder sich nicht ausschließlich auf Kommerz konzentrieren." Ansonsten unterstützt die GTZ sie zwar beratend, aber nicht finanziell - so wie Sri Lanka und Pakistan.

Viele Entwicklungsländer hoffen, durch die Präsenz in Hannover Investoren oder Touristen in ihre Heimat zu locken. So zeigen sich die Philippinen als technologisch fortschrittliches Land, Gabun und Ghana preisen ihre Sehenswürdigkeiten an. "Wir wollen Touristen anziehen und unser Image verbessern", sagt auch Genci Bejleri vom albanischen Pavillon. "Die Expo ist für uns eine einzigartige Gelegenheit, die schönen Seiten unseres Landes bekannt zu machen."

Armut und Krieg sind kein Thema

Dagegen werden die schlechten Seiten wie Armut oder Krieg von den betreffenden Staaten gar nicht oder nur am Rande thematisiert. "Wer ein Bewerbungsgespräch hat, präsentiert schließlich auch nur seine besten Eigenschaften", sagt von Schumann. "Das heißt ja nicht, dass die Länder ihre Probleme ausklammern." Und Hailu Mulatu vom äthiopischen Pavillon sagt: "Wir zeigen zwar nicht, dass wir arm sind, aber wir behaupten auch nicht, dass wir reich sind." Der bis vor einem Monat andauernde Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea kommt in der Ausstellung seines Landes ebenfalls nicht vor. "Das gehört nicht hierher, die Expo ist ein friedliches Forum zur Kommunikation", sagt Mulatu.

Allerdings präsentieren viele Länder Entwicklungsprojekte, durch die Probleme zumindest indirekt angesprochen werden. So schildert Mali den Kampf gegen Seuchen, Eritrea erläutert seine Bemühungen um eine flächendeckende Versorgung mit Elektrizität, und Ruanda zeigt die Fortschritte beim Wiederaufbau von Häusern, die durch den Bürgerkrieg zerstört wurden. "Damit geben die Länder selber vor, wonach sie streben - und woran sie gemessen werden möchten", sagt von Schumann.

240 Hamburger Musiker gedenken der Widerständler des 20. Juli

ek Hannover - Mit der Aufführung des Requiems "In Tyrannos" gedenkt die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) am heutigen 20. Juli auf dem Weltausstellungsgelände der Opfer des Widerstands gegen das Nazi-Regime. Das Gedenkkonzert beginnt um 19.30 Uhr in der Halle 25, dem Konzerthaus. Die zweistündige Totenmesse wolle "an die Menschen erinnern, die für Mitmenschlichkeit ihr Leben gelassen haben, an die Opfer von Gewalt und Terror, aber auch an die Schuld der Täter und der Zuschauer", sagt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock über das Werk des Hamburger Komponisten Ernst-Ulrich von Kameke.

240 Musiker aus Hamburg sind an der Aufführung beteiligt - sechs Solisten, ein Organist, die Alsterspatzen, das Vokalensemble und die Kantorei St. Jacobi sowie das Orchester St. Jacobi unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Rudolf Kelber. In den sechs Teilen des Requiems tragen Sprecher Zitate aus Adolf Hitlers "Mein Kampf" vor, lesen aus Abschiedsbriefen von Widerstandskämpfern und aus der Bibel. Zitate von Dietrich Bonhoeffer und Jochen Klepper werden Zitaten von Tätern gegenübergestellt.

Das Werk erinnert an das gescheiterte Bombenattentat, das Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 auf Hitler verübte. Stauffenberg und zahlreiche andere Gegner des Nazi-Regimes wurden danach hingerichtet. Unter anderen Ulrich von Hassel, der Patenonkel des Komponisten. Für den 74-jährigen Ernst-Ulrich von Kameke stellt die Totenmesse "eine musikalische Alternative zu den Gedenkreden" dar. Landesbischöfin Margot Käßmann sagt: "Die Erinnerung an die Standhaftigkeit derer, die im Kampf gegen Tyrannen oder Diktatoren ihr Leben eingesetzt haben, kann Ermutigung sein für das heutige Ringen um ein Zusammenleben der Menschen in Frieden und Gerechtigkeit." Der Eintritt ist für Expo-Besucher frei.