Von KARSTEN HINZMANN

Zuerst der Rücktritt vor drei Jahren. Dann, vor eineinhalb Jahren, der Rücktritt vom Rücktritt. Jetzt der Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt. Endgültig.

"Ich habe mir bewiesen, dass ich noch allemal den Leistungsträger einer Mannschaft darstellen kann und sehe deshalb keine Herausforderung mehr für mich", sagt Oliver Kreutzfeldt, der vor zwölf Jahren mit den Norderstedt Chiefs American Football in Hamburg etabliert hat und als Spieler des Erstligisten Hamburg Blue Devils in die Rolle des tragischen Helden hineinwuchs: von allen Experten gelobt, aber selten auf dem Feld zu sehen, dafür Dauerparker in der Reserve.

Als "Bankdrücker" hatten ihn seine ausländischen Mitspieler verspottet, für die deutschen Spieler gilt er aber nach wie vor als die "Lichtgestalt dieses Sports", so sein jetziger Vize-Vereinsvorsitzender Martin Sieg von den Hamburg Wild Huskies.

Mit seinem Auftritt gegen die Berliner Adler Mitte September im Hamburger Victoria-Stadion zieht der Norderstedter einen Strich unter zwölf Jahre auf der Position des Spielmachers. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem für seine jetzigen Weggefährten die Chose richtig losgehen könnte: die Vorbereitung für die 1. Bundesliga. Ob es damit ernst wird, bleibt abzuwarten, denn den Sprung an die Tabellenspitze verfehlten die Huskies, weil sie auswärts den Tabellenführer Assindia Cardinals zwar 23:20 bezwangen - aber nicht mit den erforderlichen sechs Touchdowns Unterschied. Immerhin haben jetzt beide Teams 12:2 Punkte auf dem Konto.

Die Spitzenplätze, die American Football zu bieten hat, kennt Kreutzfeldt aus seiner Zeit mit dem Erstligisten Hamburg Blue Devils: Deutscher Meister 1996, dazu drei Europameister-Titel zwischen 1996 und 1998 - aber allen Lorbeer hat Kreutzfeldt im Sitzen gewonnen. So gut er auch spielte, die Amerikaner galten den amerikanischen Trainern immer als die erfolgversprechenderen Leistungsträger. Zuerst stand "Devil" Kreutzfeldt im Schatten des Italo-Kanadiers Dino Bucciol, und als dieser im Jahr des sich anbahnenden zweiten Europameister-Titels mit gebrochenem Schlüsselbein ausfiel, stellte ihm Cheftrainer George White den zum Spielmacher umfunktionierten Passempfänger Craig Pettigrew vor die Nase. Für Kreutzfeldt Grund genug, den Trainer ultimativ vor die Wahl seines Einsatzes oder seines sofortigen Abschieds zu stellen.

Kurz darauf erlag White einem Herzanfall, und Kreutzfeldt hatte weder Antwort erhalten noch eine Chance; Pettigrew blieb zweiter Quarterback der Devils. Schicksal. "Die Position war damit für mich gestorben", sagt Kreutzfeldt.

Auch seine Hoffnung auf eine Chance in der deutschen Nationalmannschaft war vergebens. 1993 hatte ihn eine Verletzung an Einsätzen für die Bundes-Auswahl gehindert, danach wurde bis 1998 aus finanziellen Gründen keine Mannschaft mehr aufgestellt. Schicksal.

"Ein Deutscher kann im American Football auf der Spielmacher-Position langfristig nicht glücklich werden, solange amerikanische Trainer den Erfolg in Finals nur Landsleuten als Quarterbacks zutrauen. Das ist für jeden jungen deutschen Football-Begeisterten ein sinnloses Unterfangen", sagt Oliver Kreutzfeldt. Nur eine Regelung wie in Italien, dass lediglich Einheimische als Spielmacher auftreten dürften, würde American Football seiner Meinung nach in Deutschland emanzipieren.

Dass der Fehler im System zu suchen ist, bestätigt auch Devils-Präsident Axel Gernert, der Oliver Kreutzfeldt zu den besten deutschen Quarterbacks zählt. Gernert: "Zwischen 1995 und 1997 hätte ihm kein Deutscher auf dieser Position das Wasser reichen können, aber den Vorsprung in der sportartspezifischen Athletik oder der Erfahrung auf hohem Spielniveau wird ein Deutscher gegenüber einem Amerikaner niemals wettmachen können."

Für Oliver Kreutzfeldt selbst war deshalb nur noch wichtig, "mir zu beweisen, dass ich tatsächlich viel technisches Können dieses Sports ,drauf' habe und Spiele als Verantwortlicher auf dem Rasen auch über die komplette Dauer erfolgreich gestalten kann", wie er sagt. Das ist ihm gelungen: Den damaligen Aufsteiger Wild Huskies lotste er auf den vierten Platz, punktgleich mit dem letzten Gegner, den Assindia Cardinals aus Essen. Damals schon hatte er Schluss machen wollen, sich dann aber doch überreden lassen, weil das Spielsystem der Huskies auf ihn abgestimmt war. "Die Huskies setzen so lange auf ihn, wie er will", sagt Vereins-Vize Sieg.

Aber der 32-jährige Kriminal-Kommissar will nicht mehr. Die Träume sind ausgeträumt; auch im Tennis, mit dem er die Aufs und Abs seiner "kleinen Karriere", wie Kreutzfeldt sagt, zu kompensieren versucht hat: Wieder an sein Regionalliga-Niveau als ,Twen' anzuknüpfen - das wärs gewesen. Aber auch das blieb Illusion. Sein neuer Anlauf, zuerst in Friedrichsgabe, dann in Glashütte, scheiterte daran, dass organisatorischer Kleinkram dazwischenfunkte und plötzlich Jüngere mit ihm einen Strauß um die Führung der Mannschaften ausfechten wollten.

Nächste und vielleicht letzte Station als Tennisspieler im Norderstedter Raum: Tangstedt. Das macht sportlich nicht eben viel her - die Herren sind gerade aus der Verbandsliga abgestiegen, aber dort spielen alte Kumpels. Menschliche Verbundenheit ist ein Wert, der viel gilt für Oliver Kreutzfeldt und ihn manchmal länger an einem Ort hält, als er das vorher geplant hatte.