Die Kreisstadt hat Geburtstag. Vor 125 Jahren wurde aus dem Flecken Pinneberg die Stadt Pinneberg. Die PZ nimmt das Jubiläum zum Anlass, in einer Serie die Historie der Stadt zu beleuchten. Im Mittelpunkt stehen Geschichten über Pinneberg und seine Bürger. Heute berichten wir über die Geicks

Heinrich Geick wurde am 10. Oktober 1872 in Garstedt bei Hamburg geboren. Während der 80er-Jahre kam er nach Pinneberg, wo er bei Zimmerer Walter Rehm in der Lindenstraße eine Lehre absolvierte. Anno 1894 heiratete er die Fabrikarbeiterin Olga Peters. Noch vor der Eingemeindung von Pinnebergerdorf nach Pinneberg bezog das Ehepaar 1905 mit seinen sechs Kindern sein Haus an der Friedenstraße 50, das heute noch existiert.

Heinrich Geick beteiligte sich schon früh an den Auseinandersetzungen um eine demokratische Entwicklung in Pinneberg; vermutlich gehörte er auch der Pinneberger Ortsgruppe der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an, die Geicks Sohn Richard gegründet hatte. Als sich im Zuge der November-Revolution des Jahres 1918 auch in Pinneberg ein Arbeiter- und Soldatenrat bildete, wurde Heinrich Geick in den neu gebildeten "Fürsorgeausschuss für die Durchführung der Erwerbslosenfürsorge" gewählt. Und als die KPD 1924 erstmals in Pinneberg zu den Kommunalwahlen antrat, da gehörten Heinrich und Olga Geick zu ihren gewählten Stadtverordneten.

Olga Geick war auch unter den ganz wenigen Frauen, die während der Zeit der Weimarer Republik in Pinneberg Stadtverordnete wurden. Außer ihr kamen nur Ottilie Frank und Martha Gidall (Bürgerliche), Anna Ipsen und Emilie Helm (SPD) sowie Martha Geick - eine Schwiegertochter von Olga und Heinrich Geick - in dieses Amt.

Heinrich Geick wurde auch bei den Kommunalwahlen des Jahres 1928 als Stadtverordneter bestätigt und mit den Stimmen von SPD und KPD zum stellvertretenden Stadtverordneten-Vorsteher (heute Bürgervorsteher) bestimmt. Im November 1929 wurde er zum dritten Mal als Stadtverordneter der KPD ins Parlament entsandt.

Das Haus der Familie Geick entwickelte sich zu einem "KPD-Zentrum" und beliebtem Treffpunkt - nicht nur für KPD-Mitglieder! Vor dem Haus war ein Schaukasten angebracht, in dem Bekanntmachungen, Flugblätter und die Parteizeitung aushingen - und der immer wieder zerstört wurde. Heinrich Geick galt als "Rückhalt" der KPD in Pinneberg. Häufig vertrat er auch Arbeiter, die kein Geld für einen Rechtsanwalt hatten, in Gerichtsprozessen. Für die Partei war er zudem lange als Kassierer tätig.

Nicht weniger wichtig war das Wirken von Olga Geick für Partei und Familie: Da das Geld bei den Geicks wie in vielen Arbeiterfamilien meist knapp war, eröffnete Olga Geick noch vor dem Ersten Weltkrieg in der Friedenstraße 50 einen Kolonialwarenladen. Die Leute im Viertel konnten bei ihr reichlich anschreiben lassen, so dass sie den Laden bald wieder aufgeben musste. Danach arbeitete Olga Geick in einer Fischfabrik.

Auch die Töchter, Söhne und Schwiegerkinder der Geicks waren in der KPD aktiv: Der älteste Geick-Sohn Heinrich und seine Frau Martha kandidierten zur Pinneberger Kommunalwahl 1929, der jüngste Sohn Hermann trat als Versammlungsredner auf. Max Hoche, Ehemann von Elsa Geick war zeitweise KPD-Vorsitzender in Pinneberg und wurde 1930 auch Stadtverordneter. Max Hoche und Martha Geick wurden bei der Kommunalwahl vom 12. März 1933 zwar noch in die Stadtvertretung gewählt, konnten aber ihre Mandaten nie antreten: Sie wurden ihnen von der Regierung aberkannt.

Nach der Machtübergabe der Nationalsozialisten beteiligte sich die Familie Geick an der illegalen Parteiarbeit in Pinneberg. Heinrich Geick jun. wurde im August 1933 verhaftet und wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt. Erst im April 1935 wurde er wieder freigelassen.

Im April 1934 wurde der inzwischen 61-jährige Heinrich Geick verhaftet. Er kam zunächst als Untersuchungshäftling nach Hamburg und wurde dort wegen seiner Beteiligung am Widerstand zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Am 25. Mai 1934 wurde er ins Gefängnis Neumünster eingeliefert und unter der Nummer 404/34 registriert. Heinrich Geick war herzkrank, lebenswichtige Medikamente wurden ihm im Gefängnis jedoch verweigert. Am 13. Februar 1935 starb er - die Eintragung beim Standesamt Neumünster lautet lapidar "Schlaganfall". Im Gefängnis unterschrieb die Beerdigungsuntertnehmerin Liesbeth Naue aus Pinneberg eine Erklärung, dass sie den Leichnam weder entkleiden noch waschen werde. Doch Liesbeth Naue - eine Schwester von Olga Geick - dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen: Heinrich Geick wurde in der Friedenstraße 50 aufgebahrt, sein Körper wies deutliche Spuren von Misshandlungen auf. In der Todesanzeige ließ Olga Geick provozierend mitteilen, dass ihr Mann im Gefängnis in Neumünster gestorben war.

Nach dem Aufstandsversuch vom 20. Juli 1944 verhaftete die Gestapo im Rahmen einer großangelegten Aktion auch Olga Geick. Ende September des Jahres wurde sie entlassen. Den 8. Mai 1945 erlebte Olga Geick als einen Tag der Befreiung. Sie starb am 17. Dezember 1957.

Die Erinnerung an die mutige Pinnebergerin ist heute weitgehend verblasst. Zum Gedenken an ihren Mann Heinrich sowie an die beiden Naziopfer Heinrich Boschen und Wilhelm Schmitt wurde bereits 1948 ein Gedenkstein der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Nähe des Bahnhofes aufgestellt, der allerdings wenige Jahre später an einen versteckten Winkel des Stadtfriedhofes umgesetzt wurde und erst nach einer heftigen öffentlichen Debatte 1987 im Bereich des Rathausplatzes aufgestellt wurde.

Seit wenigen Jahren gibt es es auch endlich eine Heinrich-Geick-Straße in der Kreisstadt. Sie liegt im Thesdorfer Neubaugebiet zwischen der Rellinger Straße, der Lohstraße und der Bahntrasse.

Die Pinneberger Sozialdemokraten wollen im Dezember erstmals den mit 2000 Mark dotierten "Geick-Boschen-Schmitt-Preis" an einen oder mehrere Bürger der Stadt vergeben, die Zivilcourage bewiesen haben. FRANK SCHULZE

[GEFÜLLTER KREIS] Die wesentlichen Passagen dieser PZ-Folge stammen aus dem von Hildegard Kadach und Dieter Schlichting verfassten Buch "Drei Leben gegen die Diktatur", das unter anderem in der Stadtbücherei ausgeliehen werden kann.