Von ROLF ZAMPONI

Wewelsfleth. Eine kurvige Ortsstraße, rot geklinkerte, aneinandergeschmiegte Einfamilienhäuser, ein paar Neubauten, urige Landgaststätten. Und dann die Werft: die Peterswerft, 1871 gegründet. Im Juni steht sie vor der Pleite. Das Ende des Schiffbaus scheint nahe. Was wäre dann aus dem Ort mit seinen 1520 Einwohnern, sechs Kilometer vom Kernkraftwerk Brokdorf entfernt, geworden? Die Frage braucht seit heute nicht mehr beantwortet zu werden. Wewelsfleth und die Werft haben einen neuen Hoffnungsträger: den Hamburger Yachtbauer Claus H. K. Kusch, der den Betrieb zum 1. September übernommen hat.

Eine gute Wahl, wie Insolvenzverwalter Walter Peters vom Land Schleswig-Holstein, von der Wirtschaftsförderung des Kreises Steinburg oder auch vom Betriebsratsvorsitzenden Werner Hoffmann bestätigt wird. Denn wie kein Zweiter in Deutschland und fast auch weltweit kennt Kusch sein Geschäft, das seit den 60er-Jahren sein Leben ist.

Ihn ziehen die Megareichen, die oft seit Generationen Luxusyachten besitzen, ins Vertrauen, wenn es darum geht, Boote zu bestellen, für die eine Million Mark je Meter Länge oft zu wenig ist. Noch nicht eingerechnet die sechs Prozent vom Baupreis an jährlichem Unterhalt. Kusch braucht kaum zwei Tage, um über ein Projekt zu verhandeln. Diese Schnelligkeit verhilft ihm zur Freundschaft mit vielen Kunden und bringt ihm immer neue Aufträge ein. Sechsmal bestellt allein ein Brite seit 1974.

18 Jahre lang hat Kusch in den USA, in Großbritannien, Frankreich, Griechenland und Malta Kontakte zu Kunden geknüpft, bevor er 1981 nach Hamburg kommt. Seit 1982 lässt er nur noch in Deutschland bauen. "Weil man dort Qualitätsarbeit bekommt", wie er sagt. Etwa bei HDW-Nobiskrug in Rendsburg, bei Blohm + Voss, bei der Peenewerft in Wolgast oder bei Schweers in Bardenfleth/Weser.

Größtes Problem beim Managen der Neubauten ist es für den Unternehmer und sein Team von zwölf Spezialisten aber immer wieder, Bauplätze zu finden und die Konstruktion von bis zu drei Booten gleichzeitig an verschiedenen Standorten im Auge zu behalten. 1981 lässt Kusch sich darauf ein und 1998 noch einmal. Doch dann schwört er seiner Frau Annegret, mit der er seit 28 Jahren verheiratet ist: "Das war das letzte Mal." Dem Schwur folgt der Einstieg in Wewelsfleth, dem künftigen zentralen Bauplatz.

Dabei kennt Kusch die Werft und ihre Qualität bereits seit 1999, als er dort für die Yacht "Senses" Garantiearbeiten ausführen lässt. "Die Menschen haben mir schon damals gefallen." Als er von den finanziellen Schwierigkeiten hört, legt er dem Insolvenzverwalter Peters sein Konzept vor und nennt einen Preis. Acht Wochen später hat Kusch "nicht nur einen Bauplatz, sondern eine ganze Werft". Und kann sich auch dem Dank der Zulieferer gewiss sein. "1000 Jobs hängen an dem Betrieb", schätzt Betriebsrat Hoffmann.

80 Mitarbeiter von Peters sowie die Auszubildenden wird Kusch nun in seine neue Peters Schiffbau AG übernehmen. Weitere 100 Beschäftigte können sich in der Qualifikationsgesellschaft "Kompass" für mindestens sechs Monate fortbilden. Niemand steht nun ohne eine Arbeit da. Im Gegenteil.

Künftig werden in Wewelsfleth häufiger Yachten wie die knapp 109 Meter lange "Le Grand Bleu" anlegen, die die Werft bis Anfang Oktober mit neuen Kranen ausrüsten wird. Sie sollen künftig noch mehr als die 27 Beiboote, zu denen ein 70-Knoten-Schnellboot und sechs Jet-Skis gehören, zu Wasser lassen. Damit zählt die Yacht zu einer Klasse, die sich weltweit vielleicht 80 Menschen leisten können. Ihr US-Eigner residiert an Bord auf 700 Quadratmeter Wohnfläche und hält für Gäste weitere 1700 Quadratmeter und 32 Mann Besatzung vor.

Für März 2001 rechnet Kusch mit dem ersten Neubau am neuen Standort und will spätestens dann mit dem Bau einer Halle über das 145 Meter lange Trockendock beginnen. Gleichzeitig soll das übernommene Management Aufträge für Frachter, Produktentanker, Bagger oder Küstenschutzboote an die Stör ziehen. "Bange vor der Zukunft sollte in Wewelsfleth keiner sein", meint der neue Inhaber.

Das werden die Gemeindeväter gern hören. Bieten sie doch auf einem Schild am Ortseingang baureife Grundstücke an: Für 99 Mark pro Quadratmeter