Von SÖNKE IWERSEN

Hamburg - Mario Protuder wusste es schon vor fünf Jahren. "Als ich Zoran und Darko zum ersten Mal sah, habe ich gleich gesagt: Die beiden spielen einmal in der ersten Liga", erinnert sich der bosnische Diplom-Basketball-Lehrer. Das war 1995 und Protuder arbeitete als Trainer des VfL Stade in der ersten Regionalliga.

Heute zeigt sich, dass er Recht hat. Darko Krezic (23) hat jüngst für seine zweite Saison in der ersten Liga beim DJK Würzburg unterschrieben, Zoran (20) nimmt vom 10. August an das Training bei den BCJ Tigers auf. Zum ersten Mal seit Jahren steht damit in Hamburg wieder ein Spieler unter Vertrag, auf den kein Team verzichten kann: "A true Point-Guard", wie die Basketballer sagen. Ein echter Spielmacher.

"Für mich ist passen schöner als schießen", sagt Zoran. Ein Satz, bei dem das Herz eines jeden Trainers schneller schlägt. "Ich bin kein großer Eins-gegen-Eins-Spieler, aber ich denke, ich kann ein Team gut lenken. Und ich mache das Spiel schnell."

Solche Spieler sind selten, und deshalb war es keine Selbstverständlichkeit, dass er nach Hamburg kam. Spielte er in der vergangenen Saison noch in der zweiten Liga für den SC Rist Wedel, so umwarben Zoran in den zurückliegenden Wochen gleich mehrere Erstligaclubs. Die hoch gehandelten Frankfurt Skyliners lockten ihn, und die Würzburger wähnten sich im Vorteil, weil sie doch schon seinen Bruder unter Vertrag hatten. Doch Zoran wollte nicht. "Ich habe mich in die Stadt Hamburg verliebt", sagt er. In ein paar Wochen wird er aus seiner Wohnung in Rissen ausziehen, möglichst in die Nähe der Universität, an der er demnächst Medien-Design studieren will. Noch hat er aber keine neue Bleibe gefunden.

Auch ohne den jüngsten Umzug hat Zoran für sein junges Alter schon einen weiten Weg hinter sich. Es war Februar 1992 in Banja Luca (Ex-Jugoslawien), als sein Vater Pero (53) endlich seine Ausreisepapiere erhielt. Schon seit Monaten wartete die Familie Krezic täglich auf Nachricht, doch wenn es an der Tür klingelte, stand dort nie der Postbote, sondern immer nur das Militär. "Oft sind die schon morgens um sechs gekommen", erinnert sich Zorans Bruder Darko. "Mein Vater hat sich dann im Schrank versteckt, und wir haben den Männern gesagt: Papa ist nicht da."

Es war eine dunkle Zeit. Der Vater hatte als hoch ausgebildeter Diplomingenieur für Metallurgie Angebote von Firmen aus ganz Europa. Doch auch die jugoslawische Armee brauchte seine Dienste: als Offizier für eine Panzerbrigade. "Viele unsere Freunde liefen schon mit Waffen herum", sagt Darko. "Dann konnten wir plötzlich doch ausreisen und stiegen in Sarajevo ins Flugzeug. Drei Wochen später wurde der Flughafen bombardiert."

Sie kehrten nicht mehr zurück. Dort, wo Zoran im Alter von fünf Jahren seinen ersten Basketball hochhob, fielen kurze Zeit nach dem Umzug die ersten Schüsse. Das Haus, in dem er aufwuchs, hat Zoran nie wieder gesehen. "Das Land, das meine Heimat war, gibt es nicht mehr", sagt der 20-Jährige.

Dennoch - die frühe Ausreise hat die Familie vor dem Schlimmsten bewahrt. In Holern bei Stade fand Zoran schnell Freunde, lernte Deutsch und ging zur Schule. Heute lebt er das normale Leben eines jungen Spitzensportlers. Wenn er nicht gerade trainiert oder mit seiner Freundin Franka zusammen ist, dann eifert er zusammen mit Bruder Darko und vier ehemaligen Vereinskameraden vom SC Rist NBA-Größen wie Shaquille O'Neal und Kobe Bryant nach: Er rapt. Als "Falafel Kader" sind die sechs vielleicht schon bald vor einem Heimspiel der Tigers zu hören.

Wichtiger ist Zoran in den nächsten Tagen jedoch etwas anderes: "Ich will viel trainieren und mich möglichst schnell an die erste Liga gewöhnen", sagt er. Das hört auch Peter Schomers gern. "Zoran ist ein Kämpfer und spielt sehr gute Defense", sagt der Trainer der Tigers. "Er hat großes Potenzial."