Die Region südlich der Elbe ist nicht zuletzt gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Kirchen, die nicht nur Zeugnis ablegen von der tiefen Religiosität der Menschen in vergangener Zeit. Sie sind zudem kulturhistorische Stätten und führen uns in die Epochen der Romanik, Gotik, Barock, Renaissance zurück, zeigen aber auch neuzeitliche Geisteshaltungen und bauliche Entwicklungen auf. Wir stellen in loser Reihenfolge eine Auswahl der interessantesten Gotteshäuser im nördlichen Niedersachsen vor - unabhängig von deren weltanschaulichen Zuordnung. Heute: St. Nicolai in Cadenberge.

Von HEINZ-JOACHIM ZINKE

Cadenberge - Mit ihrem vorangestellten hölzerner Turm, der eigentlich viel zu klein ausgefallen ist, vermittelt die St. Nicolai-Kirche dem Betrachter einen eher ungewöhnlichen Eindruck. Befasst man sich dann etwas intensiver mit der Geschichte dieses Gotteshauses, das - auf einer Anhöhe errichtet - rund 700 Jahre das geografische und geistliche Zentrum Cadenberges und Umgebung bildet, so wird einem vieles deutlich, was auf den ersten Blick unverständlich erscheint:

Auch St. Nicolai gehört zu den Dorfkirchen, die im Laufe der Jahrhunderte eine Fülle von baulichen Veränderungen durchgemacht haben, so dass heute nur noch wenig an den ursprünglichen Bau erinnert. Urkundlich erstmals erwähnt wurde die Kirche im Jahre 1319, und zwar im Rechenschaftsbericht des päpstlichen Kollektors Jacob de Rota. Möglicherweise geht die Gründung der Kirche, die dem Heiligen Nikolaus, dem Schutzpatron der Schiffer, Fischer und Kaufleute, gewidmet ist, sogar auf die Zeit um 1200 zurück und reicht damit in die Amtszeit des Erzbischofs Hartwig II. von Bremen (1185 bis 1207). Darauf jedenfalls weist Kai Rudl in der Gemeindechronik "850 Jahre Cadenberge" hin, die anlässlich des Jubiläumsjahres 1998 erschienen ist.

Zweifellos wurde die erste Kirche in Cadenberge an der Stelle der heutigen St. Nicolai mit Feldsteinen errichtet, die noch immer einen Teil des Fundamentes bilden. Separat entstand später ein freistehender Kirchturm aus Holz. Der jetzige Turm wurde 1723 gebaut, noch passend zur "alten" Kirche, die längst nicht so groß war wie die neue. Aus diesem Grund wirkt der Turm heute viel zu klein. Er steht auf vier gemauerten Steinpfeilern, die allerdings durch die ringsum aufgeschichteten Findlinge nicht mehr sichtbar sind.

In der Cadenberger Chronik wird deutlich darauf hingewiesen, dass das Gebäude langsam verfiel. Mitte des 17. Jahrhunderts häuften sich die Reparaturen an dem Mauerwerk und am Dach. Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der Chor erneuert. 1737 dann soll der Westgiebel des Gotteshauses völlig eingestürzt sein. Aufgrund der Baufälligkeit war man gezwungen, die Gottesdienste im hinteren Teil der Kirche abzuhalten und schließlich sogar in das erste Pfarrhaus zu verlegen. Selbst Taufen wurden in dieser "Interimskirche" durchgeführt, in die man außer dem Taufbecken und Gestühl auch die Kanzel unterbrachte.

1742 endlich war die Bahn frei für die Errichtung einer neuen Kirche. Den Entwurf hierfür, der die Zustimmung der Gemeindeglieder fand, stammte von Baumeister C. Goetze. So entstand ein wesentlich größeres und höheres Bauwerk - so weit möglich auf dem Fundament der bisherigen Kirche. Anstelle von Feldsteinen wurden nun für die Außenmauern die preiswerteren und einfacher zu verarbeitenden Backsteine verwendet.

Fünf Jahre Streit um den Platz der Kanzel

1752 war der Bau vollendet. Doch gab es in jener Zeit laut Chronik auch so manches interne Problem, das gelöst werden musste. Zum Beispiel stritt man sich darum, ob die Kanzel über dem Altar oder an der Südseite der Kirche angebracht werden sollte. Nach fünf Jahren Zwist wurde der Kanzel 1750 im Osten der Kirche über dem Altar (1653 erstellt) der endgültige Platz zugewiesen.

Der Kanzelaltar mit seinen goldenen Ornamenten an den Seiten und dem großen Schalldeckel, der wie ein Baldachin das gesamte Oberteil des Altars einnimmt und in eine Kuppel mit dem gekreuzigten Christus mündet, lenkt auch heute die Blicke der Besucher auf sich. Das Lindenholz-Kruzifix auf dem Altar ist ein Präsent der Partnergemeinde Deutschneudorf im Erzgebirge aus dem Jahre 1965. Zuvor stand hier ein Kruzifix, das König Georg V. von Hannover der Cadenberger Kirchengemeinde 1863 geschenkt hatte.

Die modernen Paramente vor Altar, Kanzel und Lesepult sind mit den gleichen Motiven bestickt wie die in der Gemeinde Deutschneudorf. Nicht zu übersehen auch der helle Taufstein aus oberitalienischem Sandstein, der Anfang des 17. Jahrhunderts geformt worden ist. Ein Kirchenvorsteher schenkte ihn 1965 St. Nikolai, da die Kirche kein Taufbecken mehr besaß. Ihr altes aus Bronze hatte sie 1805 nach Hamburg verkauft, da lange Zeit zuvor nur noch Haustaufen stattfanden. An der hinteren Altarwand erinnert ein Opferstock aus dem Jahre 1688 daran, dass die Kirche schon damals auch auf Spenden von Kirchgängern angewiesen war.

Dekorativ präsentiert sich der gut erhaltene Grafenstuhl der im Hadelner Land bekannten Familie von Bremer (links neben dem Altar). Die Sakristei auf der rechten Seite wurde bei der Kirchenrenovierung 1962 bis 1965 aus vier alten "Familienständen" zusammengesetzt.

Auffallend besonders die beiden übereinander liegenden Empore an den Seiten des Kirchenschiffes, die im Rahmen der Renovierung verkürzt wurden. Der hellgraue Anstrich des Gestühls und der Empore, unterbrochen von goldfarbenen Einfassungen, sowie die grau-grüne Decke tragen zu einem harmonischen Gesamteindruck des Kircheninnern bei.

Vier Kronleuchter aus Messing erhellen den Kirchenraum. Sie wurden in den Jahren 1984 und 1988 nach Originalleuchtern aus der Barockzeit gefertigt.

Eine kunsthistorische Attraktion der St. Nikolai-Kirche ist die Gloger-Orgel, die eine längere Geschichte hat. Schon vor dem Neubau besaß die Kirche eine kleine Orgel aus dem Jahre 1643. 1693 dann baute Johann Werner Klapmeyer eine neue Orgel mit zwölf Registern - zwei Manuale mit angehängtem Pedal. Als die alte Kirche um 1740 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde, entfernte man die zweite Orgel, stellte sie später aber nicht wieder auf.

So erhielt der Lamstedter Orgelbauer Jacob Albrecht den Auftrag, ein neues Kircheninstrument zu erstellen. 1754 erklärte dieser, dass er die Arbeit gar nicht ausführen könne. Deshalb wandte man sich an Johann Hinrich Klapmeyer aus Glückstadt, der den Orgelbau auch vollenden wollte, aber nicht mehr dazu kam, weil er bereits 1757 starb.

Retter in der Not war Dietrich Christoph Gloger aus Stade. Dieser führte die begonnene Arbeit weiter und baute von 1756 bis 1764 eine Orgel mit 27 Registern, zwei Zimbelsternen und Tremulant, aufgeteilt auf zwei Manuale und Pedal.

Seitdem wird die Orgel liebevoll gewartet und gepflegt. 1971 restaurierte die Firma Rudolf Janke aus Bovenden, die auch die kleine Orgel im Altarraum baute, das wertvolle Instrument, auf dem heute Kantor Kai Rudl Werke alter und jüngerer Meister der Kirchenmusik einfühlsam interpretiert. Über die Grenzen Hadelns hinaus haben sich die von Rudl 1987 ins Leben gerufenen "Cadenberger Musik- und Orgeltage" einen guten Ruf erworben. Sie werden in diesem Jahr am 16. Juli, 19.30 Uhr, in der St. Nicolai-Kirche mit Werken von Johann Sebastian Bach eröffnet, es folgt ein Konzert am 26. Juli, 19.30 Uhr, mit zwei Musikern aus Cleveland/USA. Mit dem Abschlusskonzert für Orgel und Trompete am 27. August um 19.30 Uhr - ebenfalls in St. Nicolai - klingen die 13. Musik- und Orgeltage aus. Ein musikalisches Erlebnis verspricht darüber hinaus das Motetten-Konzert der Kantorei Cadenberge am 7. Oktober um 17 Uhr in der Kirche zu werden.

Übrigens: Unter der Kirche befindet sich eine Gruft, die 1696 von Dietrich Bremer erbaut wurde und die die Särge der Cadenberger Familie Bremer birgt, deren letzte drei männliche Erben Grafen waren, da König Wilhelm IV. von Hannover im Jahre 1830 Friedrich Bremer in den Grafenstand erhoben hatte. Der letzte Graf, Georg Bremer, wurde 1892 in der Gruft beigesetzt, die allerdings um 1986 auf Wunsch der Nachkommen der Familie geschlossen wurde.

Zwei Glocken läuten heute bei kirchlichen Anlässen. Die kleinere wurde 1698 von Christoph Haupner gegossen. Die größere musste Caspar König 1732 umgießen, nachdem sie gesprungen war. Die Zeit kündet die Uhrschlagglocke an, die aus dem Jahr 1950 stammt.

St. Nikolai-Kirche

21781 Cadenberge

Kirchenbüro: Claus-Meyn-Str. 1

Tel.: 04777/288, Fax: 04777/86 72

Besichtigung: nach Vereinbarung.