fri Lübeck - Er ist schmaler geworden, der Angeklagte Hartmut Crantz. Sein hellgrauer Anzug sitzt weit, ist mindestens eine Nummer zu groß. Sein Gesicht: hager, aber trotz der bereits 16 Monate dauernden Untersuchungshaft überraschend sonnengebräunt. Crantz wirkt nervös, als er den großen Sitzungssaal des Lübecker Landgerichts betritt. Am 40. Verhandlungstag sagt der wegen Mordes angeklagte 55-Jährige zum ersten Mal aus. "Nein, ich habe meine Frau nicht getötet", sagt er und liest mit brüchiger Stimme eine 44-seitige Erklärung vor.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ratzeburger Geschäftsmann vor, seine Frau Monika am 6. Januar 1999 ermordet zu haben. Er wollte laut Anklage an ihr Vermögen in Höhe von fünf Millionen Mark herankommen. Trotz vieler und umfangreicher Suchaktionen ist die Leiche der 48-Jährigen allerdings bislang nicht gefunden worden. Der Prozess um den "Mord ohne Leiche" stützt sich allein auf Indizien. Wichtigster Hinweis: Drei Leichenspürhunde der Polizei haben im Haus des Ehepaars Crantz angeschlagen. Nach Auffassung der Verteidigung könne dies aber auch ein Hinweis auf Blutspuren sein, die nichts mit der Vermissten Monika Crantz zu tun haben müssen. Die Vermisste sei möglicherweise noch am Leben. Die Staatsanwaltschaft geht fest davon aus, dass Monika Crantz tot ist.

Der Angeklagte sieht sich als Opfer eines Familienkomplotts. Wenn seine Frau noch am Leben sei, wisse ihr Bruder mit Sicherheit, wo sie sich aufhalte. Der Bruder der Vermissten verfolgt die Erklärung von der Bank des Nebenklägers aus, meistens mit neutraler Miene. Nur einmal hebt er abwehrend die Hände - als Crantz seine Lippen noch schmaler zieht und sagt, der Schwager steuere die Aussagen aller Familienangehörigen, um ihn des Mordes an seiner Frau zu bezichtigen. Deshalb habe er auch acht Monate lang geschwiegen, so Crantz: "Alle haben sich auf mich eingeschossen, jedes Wort wird gegen mich verwendet."

Detailliert nimmt der Angeklagte Stellung zu den Vorwürfen. Er erklärt, wann er wo Radwanderkarten gekauft haben will, dass er sie nur für Fahrradtouren benutzt habe und nicht etwa, um eine geeignete Stelle für die Beseitigung der Leiche seiner Frau zu finden. Er habe sich sehr wohl an der Suche nach seiner Frau beteiligt, aber allein. Auf die Hilfe seiner Familie habe er nicht zählen können, weil die ihn doch vorverurteilt habe. Den Ford Mondeo habe er gemietet, um den Schuldner eines Bekannten zu beschatten, nicht etwa, um seine Frau zu beseitigen. In den Müllsäcken auf der Rückbank sei Weihnachtspapier gewesen, er habe die Säcke von Ratzeburg nach Bad Schwartau zum Bauschuttcontainer fahren wollen, sei dann aber unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren.

Crantz liest das vor. Drei Stunden lang. Auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Ingo Hurlin bezeichnet er sich als Pedant, "ich überlasse nichts dem Zufall, und das macht man mir nun zum Vorwurf". Er habe eben "einen Fimmel". An jedem Wochenende seiner Untersuchungshaft gehe er in die Kirche. "Ich sitze da und hoffe, dass ich ein Zeichen kriege, was ich falsch gemacht habe - stattdessen sehe ich nur die ungeputzten Fenster."

Übermorgen will Crantz seine Aussage fortsetzen, diesmal kein vorgefertigtes Schriftstück verlesen. Mit Staatsanwaltschaft und Nebenklage, seinen Verwandten, will er kein Wort mehr reden.