Hamburgs Umgebung wartet südlich der Elbe mit einer einzigartigen Landschaft auf, die stets aufs Neue überrascht. Am besten erkundet man sie zu Fuß. Anima Berten (Fotos) und Jürgen Fredel (Text) haben für die Rundschau einige reizvolle Wanderungen ausgesucht. Sie dauern zwei bis drei Stunden, das hält fit und bringt ein langes Leben. Also die Stiefel geschnürt, die altgedienten Treter sind die besten, und bringen Sie Muße zum Verweilen mit!

Im Südwesten der Harburger Geest liegt ein Höhenzug, der von den Geologen "Tot-Rücken" genannt wird. Das alte Wort "Tot, welches im Namen von Ortschaften wie Tostedt, Todtglüsingen oder Todtshorn wiederkehrt, bedeutet so viel wie "Höhe". Das Gebiet um diesen Tot bildet die Wasserscheide zwischen Elbe und Weser.

Bei Todtshorn entspringt die Este und strebt direkt nach Norden auf die Elbe zu. Weiter südlich stoßen wir auf die Wümme, die vom Wilseder Berg aus durch das Königsmoor fließt und danach die südwestliche Richtung nach Rotenburg und Bremen einschlägt. Die Wümme ist ein Nebenfluss der Weser.

Zwischen beiden Flüssen liegt die Oste. Diese scheint sich anfangs nicht richtig entscheiden zu können, welcher Weg zur Nordsee der günstigere sei: Sie erblickt nämlich südlich von Tostedt, bei Schillingsbostel, das Licht der Welt und wendet sich naturgemäß nach Westen. In Höhe des Königsmoors fließt sie, im Abstand von etwas mehr als einem Kilometer, parallel zur Wümme, nimmt aber dann den nordwestlichen Weg durch das Avensermoor nach Sittensen und entscheidet sich erst fünf Kilometer später endgültig für die Richtung Nord-West, und das heißt: für die Elbe, die sie kurz vor Cuxhaven erreicht.

Auf ihrem rund 150 Kilometer langen Weg zur Elbe lernt die Oste, ganz anders als die Este, viele Länder beziehungsweise Landkreise kennen. Geboren im Landkreis von Harburg, wechselt sie hinter dem Avensermoor in denjenigen von Rotenburg über, durchstreift andere und hält sich lange im Landkreis Cuxhaven auf. Ihre mit einem Sperrwerk versehene Mündung in die Elbe aber liegt im nordwestlichsten Zipfel des Landkreises Stade.

Wir wollen Sie heute und in den kommenden Wochen davon überzeugen, dass die Oste nicht nur geografisch interessant ist, sondern auch durch eine reizvolle und höchst abwechslungsreiche Landschaft führt, durch die es sich herrlich wandern lässt. Dazu haben wir vier Rundtouren zusammengestellt: Auf der ersten lernen Sie heute den Oberlauf des Flusses bei Sittensen kennen; dies ist die "Wiege" der Oste, die hier lediglich den Charakter eines breiten Bachs besitzt. Ausgangspunkt der zweiten Tour ist Bremervörde, wo die Oste schon eindeutig als Fluss auftritt und bereits über einen Hafen verfügt. Zwischen Osten und Oberndorf, unserer dritten Station, werden Sie schon hochseetauglichen Schiffen begegnen, und den Abschluss bildet das Mündungsgebiet zwischen Neuhaus und dem Oste-Sperrwerk.

Wir beginnen also in Sittensen, dem ersten Städtchen, das der junge Fluss kennenlernt. Sie erreichen es mit dem eigenen Fahrzeug über die nahe Autobahn A 1, die Sie an der Abfahrt Sittensen verlassen. An der Kirche in der Ortsmitte steht ausreichend Parkraum zur Verfügung.

Von hier verläuft unsere Wanderroute am linken Osteufer bis Alpershausen, überquert dann den Fluss und führt durch den Auewald am rechten Ufer nach Sittensen zurück. Die Strecke ist sehr bequem zu gehen, mit etwa zwölf Kilometern jedoch recht lang. Etwa vier Stunden Wanderzeit sind daher einzuplanen, und weil es unterwegs keine Einkehrmöglichkeiten gibt, sollten Sie etwas Proviant mitnehmen.

Die hübsche Kirche wurde 1606 erbaut. Aus dieser Zeit stammen auch die Kanzel und das Patronatsgestühl, während der Altaraufsatz etwas jünger (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) ist. Ursprünglich war das Gotteshaus ein einschiffiger Backsteinbau mit polygonalem Ostabschluss, doch errichtete die Gemeinde im Jahre 1897 einen neuen Westturm sowie einen südlichen Querflügel, der später nach Norden verlängert wurde, so dass die Kirche jetzt einen kreuzförmigen Grundriss aufweist. Über den Vorgängerbau der auf dem Kirchberg ist nicht viel bekannt; eine 1454 gegossene Glocke zerschmolz 1907 bei einem Brand.

Die frühesten Urkunden über den Ort stammen aus dem 13. Jahrhundert. Um so mutiger war es, dass die Sittenser im Jahre 1997 das 1200-jährige Bestehen ihrer Kirche feierten. Sie begründen das damit, dass sich Karl der Große im Jahre 797 während der Sachsenkriege in der Gegend aufgehalten habe. Die fränkischen Annalen nennen freilich nur das Datum und keine konkrete Ortschaft. Anders ist das übrigens im Falle Hollenstedts, denn hier heißt es in den Annalen eindeutig, dass Karl 804 bei "Holdunsteti" gelagert habe. Als weiteres Indiz wird der Umstand genannt, dass Sittensens Kirche bis zur Reformation dem Heiligen Dionysius geweiht war, dem Schutzpatron der Frankenkönige. Schließlich liegt am Osteufer noch eine alteWallanlage, hinter welcher man ein Lager Karls vermutet. Unser Wanderweg führt daran vorbei.

Doch jetzt marschieren Sie endlich los: Den Kirchenweg hinunter zur Scheeßeler Straße, hinter dem schönen Landgasthof links und gleich die erste Straße wieder rechts (Hinweisschild: Zum Freibad). Dies ist die mit Kastanien bestandene Königshofallee, auf welcher wir nach kurzer Zeit das Gelände des Königshofs erreichen. Der Name des Gutes ist seit dem Mittelalter verbürgt und bezieht sich auf den nördlich gelegenen Ringwall an der Oste.

Sie können den Wall besichtigen (Hinweis: Zum Burgwall), werden aber sichtlich enttäuscht, denn außer einem etwa 75 x 120 Meter messenden und rund einen Meter hohen U-förmigen Gebilde, das zum steilen Osteufer offen ist, ist nichts zu sehen.

Ob es sich dabei um ein fränkischens Lager handelt, werden die Archäologen entscheiden müssen. Gegraben wurde jedenfalls noch nicht, und bisherige Oberflächenfunde lassen sich auf das zehnte Jahrhundert datieren. Was Grabungen an den Tag bringen, hat sich erst jüngst anhand der "Karlsburg" bei Hollenstedt gezeigt, die eindeutig nicht fränkisch ist. Und hatte Karl der Große, als er gegen die Wigmodier und Sachsen zu Felde zog und dabei fast die Hälfte der Einwohner deportierte, 797 wirklich nichts anderes zu tun, als in Sittensen unverzüglich eine Kirche zu gründen? Nur als Hinweis: Die erste christliche Taufkirche in Hamburg wird von Fachleuten vorsichtig auf das Jahr 810 datiert.

Auf dem Areal des Königshofs feierte im letzten Jahr die Niederdeutsche Bühne Sittensen ihr 50-jähriges Bestehen, und zwar ohne jeden historischen Ballast. In einem halbkreisförmig abgestuften Freilichttheater, das ein kleines Niedersachsenhaus aus dem Jahre 1848 umgibt, wird plattdeutsches Theater zum Besten gegeben. Das hübsche Häuschen dient zugleich als Heimathaus der Niederdeutschen Bühne Sittensen.

Jetzt verlassen Sie das Areal des Königshofs und wandern - der bislang asphaltierte Weg geht in einen bequemen Sandweg über - geradeaus in ein schönes Waldstück hinein. Rechts plätschert die Oste, umgeben von saftigen Wiesen, links öffnet sich ein Golfplatz. An einer Weggabelung (rechts steht eine Schutzhütte) wenden Sie sich links, und wenn von rechts ein asphaltierter Weg von den Estewiesen hinzustößt, biegen Sie wiederum links auf einen baumbestandenen Weg ab, der durch das Gelände des Golfplatzes führt.

Unsere Route trifft spitz auf einen Querweg, dem Sie scharf rechts folgen: Ein malerischer Wirtschaftsweg, anfangs mit Birken bestanden, führt schließlich zu verschiedenen Weggabelungen , bei denen Sie sich immer rechts, nämlich in möglichster Nähe zum Osteufer, halten. Der Weg durch den Wischwald endet abrupt an der Landstraße nach Hamersen.

Hier müssen Sie leider mehr als einen Kilometer rechts die Landstraße (bitte auf der linken Seite!) entlanggehen, bis Sie die beiden Höfe von Alpershausen erreichen. Nach Überquerung des Alpershausener Mühlenbachs biegen Sie nach gut 200 Metern rechts auf einen schmalen Fahrweg rechts in Richtung "Luther-Eiche" ab. Kurz darauf erreichen Sie die Brücke über die Oste. Vor ihr führt ein schmaler Pfad links zu einer Bank, von der aus Sie die markante Wendung des Flusses - seine Entscheidung für die Elbe - beobachten können. Leider auch die Autobahn im Hintergrund.

Hinter der Ostebrücke führt unser Weg am rechten Osteufer nach Sittensen zurück. Sie machen den anfänglichen Linksschwenk nach Groß Meckelsen nur zur Hälfte mit, und biegen dann rechts auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg ab, der nach einer weiteren Linkskurve schnurgerade nach Sittensen zurückführt.

Sie können an dieser Stelle aber auch geradeaus in den malerischen Auewald hineingehen und zwei linke Bögen vollführen. Am Ende stoßen Sie wieder auf den schnurgeraden Weg, und wenn dieser einen scharfen Schwenk nach links vollführt, biegen Sie auf einen schmalen Waldweg rechts ab.

Dieser überaus reizvolle Pfad führt über die Ramme, die einige Meter weiter in die Oste mündet. Sie verlassen die Stelle links über einen Spielplatz, an welchem Sie sich anhand einer Informationstafel die Reststrecke einprägen können: Über den Weg "Waldheim-Osteufer" zur Rechten gelangen Sie wieder nach Sittensen zurück. Am Ortseingang liegt, bei schönem Wetter unüberhörbar, das Freibad.

Unser Weg, der inzwischen Eichenstraße heißt, führt über die Lindenstraße zum Markt. Hier sollten Sie, anstatt direkt zur Kirche zu gehen, unbedingt den Hinweisschildern links zur Alten Mühle folgen, wo die Oste zu einem imposanten Teich aufgestaut ist. Am Mühlenteich können Sie eine restaurierte Wassermühle und das gegenüberliegende Heimatmuseum besichtigen - eine Museumsschmiede mit Stellmacherei, in deren Dachgeschoss bäuerliches Arbeitsgerät, das Inventar alter Handwerkstätten und einige vorgeschichtliche Fundstücke ausgestellt sind (geöffnet Samstags 15 - 17, Sonntags 15 - 18 Uhr).

Das Restaurant am Heimathaus ("Zur Alte Schmiede") wartet mit einer schöne Sommerterrasse auf, von welcher aus Sie auf dem linken Osteufer durch einen idyllischen Park zu Ihrem Ausgangspunkt auf dem Kirchberg zurückkehren.