Als die Handschellen klickten, brach der muskulöse Türke zusammen. "Ich war es nicht", jammerte Cüneyt Dogac (28) immer wieder - er schien sofort zu wissen, weshalb ihn die zivilen Beamten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und der Zielfahndung am späten Sonnabend in der Spreestraße (Lurup) überwältigten. Um 21.03 Uhr wollte der Türke gerade sein Versteck - die Wohnung einer Freundin - verlassen. Zu diesem Zeitpunkt war das Mehrfamilienhaus aber bereits durch die Polizeibeamten umstellt. Auf ein Funk-Kommando griffen die Spezialeinheiten zu.

Seitdem sitzt Cüneyt Dogac im Untersuchungsgefängnis und schweigt. Die Mordkommission ist sich jedoch sicher: Dogac ist der Granaten-Attentäter aus der Nobel-Disco J's. "Vielfacher Mordversuch" - so lautet sein Haftbefehl. Am 29. April soll der arbeitslose Elektro-Installateur gegen drei Uhr morgens eine jugoslawische Splittergranate (Typ M 75) in dem Disco-Bereich für "besondere Gäste" gezündet haben. Dabei wurden zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Der heimtückische Anschlag war ein gezielter Racheakt - da ist sich die Mordkommission inzwischen fast sicher. Danach soll der Anschlag im Zusammenhang mit einer Schlägerei stehen, die sich eine Woche zuvor im J's genau an der Stelle ereignet hatte, wo schließlich auch die Splittergranate explodierte. Nach Informationen des Abendblatts waren an der blutigen Schlägerei ein Mitglied der verbotenen Rocker-Bande "Hell's Angels" auf der einen und vier Türken - darunter soll auch Dogac gewesen sein - auf der anderen Seite beteiligt. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit verloren die Türken - für sie ein unverzeihlicher Gesichtsverlust.

Am 29. April sollte die Rache folgen. Doch der Rocker, dem die Granate eigentlich galt, verließ den VIP-Bereich zufällig wenige Augenblicke bevor der Sprengsatz zwischen den Polstern einer Sitzecke detonierte. Der Hintergrund für die Schlägerei ist allerdings weiterhin unklar. Vermutet wird allerdings ein Kampf um die Vorherrschaft beim Drogenverkauf in mehreren Hamburger Diskotheken. Ein Millionen-Geschäft, welches die Türken jetzt möglicherweise an sich reißen wollten.

"Auf die Spur des Täters sind wir durch einen zunächst sehr vagen Zeugenhinweis gestoßen", sagte Kriminalhauptkommissar Bernd Friedrich (41) gestern Nachmittag. Der Chef der fünften Mordbereitschaft im Landeskriminalamt hatte die Ermittlungen in der vergangenen Woche rund um die Uhr geleitet. Insgesamt 50 Beamte gehören zu seinem Fahndungsstab. Die Ermittlungen führten die Beamten zu einer Wohnung in der Rehmstraße (Winterhude) - eine von zahlreichen Adressen des Türken, die von den Fahndern überprüft werden mussten. Als sich der Verdacht gegen den polizeibekannten Mann verdichtete, genügte den Zeugen des Anschlags ein Blick in die Verbrecher-Fotokartei. Dabei wurde Dogac eindeutig identifiziert.

Der junge Türke lebt erst seit 1987 in Hamburg - er kommt aus Istanbul. Bereits ein Jahr später ermittelte die Polizei zum ersten Mal gegen den damals 17-Jährigen. Seitdem tauchte Cüneyt Dogac regelmäßig in den Ermittlungsakten der Strafverfolgungsbehörden auf. Insgesamt sind es 33 Vorgänge - quer durch das Strafgesetzbuch. Zuletzt beschäftigte sich das Landeskriminalamt wegen diverser Drogendelikte mit dem Türken. Dogac ist der Polizei als Dealer und Konsument bekannt.

Um die genauen Hintergründe des menschenverachtenden Anschlags weiter aufklären zu können, brauchen die Beamten der Mordkommission weitere Zeugen. Insbesondere sind die Ermittler daran interessiert, wo sich Cüneyt Dogac vor, während und nach dem Anschlag aufgehalten hat. Vertrauliche Hinweise an die Kripo unter der Telefonnummer 4286-56789. fm/kj